Die digitale Dunkelkammer
by Claudia Zywitz 10.05
Ein Highlight unter den Handbüchern für die Digitalfotografie
Dieses Handbuch ist auf den ersten Blick ein schwerer Schmöker (300 Seiten im
Hardback Cover), aber überrascht schon am Anfang mit sehr vielen Tipps und Tricks, um hochwertige Bildergebnisse, die professionellen Ansprüchen genügen, zu produzieren. Das Spektrum reicht von der Vorbereitung der
Kamera für die Verarbeitung von RAW- und JPG-Dateien bis zum Ausdruck eines ausgereiften Prints. Mit gut nachvollziehbaren Beschreibungen erfährt der Leser, welche Arbeitsschritte dazu notwendig sind. Bereits nach dieser
Einführung in Kapitel 1 befindet man sich direkt mitten in der Welt der digitalen Dunkelkammer.
Die Bildbearbeitung wird anhand des Programms Photoshop erklärt, das, nach Autorenmeinung wohl das gängigste Programm ist.
Arbeitet jemand aber z.B. mit dem Programm GIMP, so lassen sich viele Schritte dennoch gut nachvollziehen, da die verwendeten Begriffe aus der Bildbearbeitung nahezu identisch sind. Durchgängig angenehm sind, neben den
Beschreibungen im Textfluss, präzise Randbemerkungen, die den Kern des gerade vorgestellten Themas im Abschnitt hervorheben. Das erleichtert so manche Stichwortsuche. Direkt am Thema sind zudem regelmäßig gut aufbereitete
Bildschirmausdrucke eingefügt, die anschaulich darstellen, was im Text erklärt wird. Das ist besonders angenehm, wenn es in der Bildbearbeitung darum geht, Arbeitsschritte nicht nur wörtlich plausibel zu erklären, wie man
etwas erstellt oder verändert, sondern das Ergebnis auch sogleich sehen kann (Vorher-Nachher-Effekte).
Im zweiten Teil geht es um die Grundlagen der Bildbearbeitung. Schritt für Schritt nähert man sich Farbmodi,
Farbräumen, Geräteprofilen, Bildauflösung, Kontrast, Helligkeit, Schärfen, Farbkorrekturen und weiteren Tools zur Bildbearbeitung, immer bildlich begleitend dokumentiert. So lässt sich manch trockener und auf den ersten
Blick kompliziert erscheinender Sachverhalt optisch gut nachvollziehen.
Im dritten Teil wird es dann schon ein bisschen kniffliger, wenn es um den Umgang mit Raw-Konvertern geht. Aber auch hier werden die
Sachverhalte in logischen und gut proportionierten Schritten erklärt und erläutert, wie man sich einen praktikablen Workflow aufbaut. Dabei bieten die Autoren auch in separaten kleinen Unterkapiteln ausreichend
Informationen, welcher RAW-Konverter wie arbeitet und von Photoshop unterstützt wird (z.B. Capture One für Canon und Nikon, C1, Nikon Capture, Canon EOS Viewer Utility, Canon Digital Photo Professional, Bibble). Eine
Tabelle am Ende des Kapitels bietet eine Übersicht zu allen besprochenen RAW-Konverter im Vergleich.
Abschnitt 4 des Handbuchs geht auf das Programm Photoshop und seine Funktionen ein. Es beginnt mit der
Erklärung des Konzeptes und der gebotenen Parameter sowie Modi und der verschiedenen Ebenen/Masken im Workflow, "die nach Durcharbeitung des Kapitels zu den Lieblingstechniken" des Dunkelkammerarbeiters avancieren
sollten. Auch hier bleiben die Autoren strikt ihrem Stil treu, neben den Technikbeschreibungen auch die dazugehörigen Menüs und Funktionsknöpfe bildlich darzustellen, was sehr einprägsam ist. Um sich aber nicht in
ausgereiften Details zu verlieren, die ursprünglich für Profi-Grafiker erfunden wurden, beschränken sich die Autoren auf die Darstellung der wichtigsten Ebenenfunktionen (Nachbelichtung, Überlagerung, Licht, Luminanz,
Farbe, Sättigung, Farbton), die für den digitalen Workflow am meisten weiterhelfen und vergessen auch dabei auch nicht den Hinweis auf die Hardware, die dazu viel Speicherplatz auf dem Rechner verlangt. Im weiteren Verlauf
der Beschreibung der Ebenenfunktionen erfährt man sehr anschaulich, wie man innerhalb der Ebenen z.B. den Bildbeschnitt oder Kontraste, Muster, Moires verändert und Farbkorrekturen vornimmt.
Nach so vielen
technischen Details, die sich der ein oder andere bereits beim Studium dieses Werkes bis hierher mit vielen Spickzetteln versehen hat, haben sich die Autoren etwas sehr sinnvolles einfallen lassen. In Kapitel 5 werden noch
einmal alle besprochenen Workflowschritte, angefangen von der Kamera (Aufnahme, Übertragung der Daten zum Rechner, Datensicherung, Bildauswahl), über die Bearbeitung (RAW-Konvertierung, vorbereitende Arbeiten, Bildretusche)
bis zur Nachbearbeitung in übersichtlicher Form zusammengefaßt, bevor in Kapitel 6 der Einstieg in die fortgeschrittenen Workflow-Techniken beginnt. Bis hier hin hat der Leser aber schon eine Menge gelernt, die er bereits
in die Praxis umsetzen kann.
Kapitel 6 beschreibt nun tiefer eingehend die Verfeinerung der Techniken, stellt neue Werkzeuge vor und bietet für geübte Bildbearbeiter das ein oder andere Quentchen "Mehr"
herauszuholen, um seine Bilder zu perfektionieren (z.B. Perspektivkorrekturen, Licht-/Farbvariationen, Luminanzverstärkung, Stitching zur Erhöhung der Auflösung für Panoramabilder, Korrektur von Abbildungsfehlern, Kontrast
bei Mitteltönen). Auch hier zeigt sich anhand von gut platzierten Bildbeispielen und dem direkt dazu zugeordneten Text oder Menüausschnitt, was die jeweilige Ausführung der Arbeitsschritte bewirkt.
Angenehm fällt
auf, daß auch die Freunde der Schwarzweiß-Fotografie nicht zu kurz kommen und so gibt es für sie ein extra Kapitel. Alle beschriebenen Techniken, die man auf Farbbilder anwenden kann, lassen sich denn auch auf den
S/W-Sektor übertragen. Da es aber etwas aufwändiger ist, Farbbilder in S/W-Bilder zu konvertieren, bietet Kapitel 7 eine spezielle Anleitung dazu, wie gewohnt mit viel anschaulichem Bildmaterial und schließt damit den Teil
der Workflow-Funktionsbeschreibungen ab.
In dem sich anschließenden 8. Kapitel des Handbuchs werden zahlreiche Bearbeitungsbeispiele (Farbe und Schwarzweiß) in der Vorher-Nachher-Darstellung gezeigt und analysiert,
wobei auch auf die Aufnahmesituation (Licht, Bildaufbau) Bezug genommen wird, von der abhängt, inwieweit sich mit welcher Technik die Bilder in der Nachbearbeitung "verbessern" lassen.
In Kapitel 9 werden
alle beschriebenen Workflow Tools zusammengefasst, die die Autoren empfehlen. Hier kann man sich bei den angegebenen Bezugsadressen informieren und sich die entsprechenden Plug-Ins zusammenstellen, die bei Photoshop fehlen
oder dieses Programm erweitern (z.B. Grafik-Konverter, Filter, Schärfe-Tools von Drittanbietern, bequeme Umbenennung von Bilddateistapeln). Dabei wird auch nicht vergessen darauf hinzuweisen, daß die Auswahl riesig ist
(auch im Preis) und oftmals auch nur in englischer Sprache als Download zur Verfügung steht.
Aber hier hört dieses gute Buch noch nicht auf, denn die verarbeiteten Bilder sollen ja nicht nur am Bildschirm in aller
Pracht erscheinen, sondern auch in ausgedruckter Form zu bewundern sein.
Kapitel 10 bietet zum Thema "Drucken" interessante Informationen, wie man gute Ergebnisse mit einem Tintenstrahldrucker erzielt.
Ausgehend von der Beschreibung der Drucktechnik von Punkt zu Punkt erhält man praktische Informationen, wie Bilder in ihrer Form beschaffen sein müssen, um über einen Printservice (wie Internet oder CD) Ausdrucke zu
erhalten oder wie man diese selbst ausdrucken kann, mit dem sogenannten Fine Art Printing. Ausgehend von einer Drucker-Hardware von EPSON werden alle notwendigen Schritte von der Einstellung des Druckerprofils und sonstigen
Einstellungen im Druckdialog mit Photoshop erklärt. Auch hier gibt es wieder sehr nützliche Hinweise (inkl. Webadressen), wo man die entsprechenden Papier- und Printprofile herbekommt, so daß man von Verfahren des
Druckerherstellers unabhängig ist. Einige Printprogramme wie Qimage, oder andere SW-RIPs (Raster-Image-Prozessoren), die vor allem von professionellen Printshops eingesetzt werden, um ein besseres Farbmanagement zu
erzielen, mehrere Bilder platzoptimiert auf einem Blatt auszugeben und um einen höheren Druckdurchsatz zu erreichen. Neben den Informationen zum Druck gibt es zum Abschluß des Kapitels noch ein paar Tipps zur optimalen
Publikation im Web, sowie kurz angerissen, Hinweise zur Aufbereitung der Bilddateien für Dia-Shows, 3D-Darstellungen. Vielleicht kommt dieses Thema hier etwas zu kurz, aber dies ausführlicher zu beschreiben, würde
aber, laut den Autoren, ein weiteres dickes Buch füllen. Vielleicht kommt es ja bald.
Zum guten Schluss nun wird das Thema Digitale Bildbearbeitung mit dem Kapitel Datensicherung und Bilderverwaltung abgerundet. Das
Kapitel steht zwar am Ende, doch ist es deshalb nicht weniger wichtig, denn die Archivierung meist doch umfangreicher Bilderfiles erfordert eine gute Strategie in der Verwaltung, damit man sich nicht in dieser Arbeit
verzettelt und einmal automatisiert, die Administration nicht mehr so viel Zeit frisst. Also, erst einmal das originäre Bildmaterial sichten (RAW-Dateien, JPEGs oder TIFFs), unbrauchbare Bilder löschen, die Daten in
konsistenter Weise umbenennen und soweit notwenig, in die richtig Ansichtslage rotieren. Jetzt gilt es, die ausgewählten Dateien entsprechend abzuspeichern.
Oberste Anweisung für Bilddateien : sichern - sichern -
sichern! Erstens auf der normalen Festplatte für die Bearbeitung und nachfolgende schnelle Zugriffe, zweitens auf einem externen Datenmedium wie Band, CD/DVD oder einer zweiten Festplatte und drittens als externe
Sicherungskopie an einem anderen Ort. Man darf schließlich nicht außer Acht lassen, daß professionelle Bilder einen nicht unerheblichen Wert darstellen. Hier sollte man wirklich nicht auf die Kosten für die
Datensicherungsträger schauen.
Die Autoren empfehlen, sich eine spezielle Sicherungssoftware zuzulegen. Dies gilt insbesondere für die Sicherung auf CD/DVD. Sicherungssoftware von Drittanbietern bietet meistens bessere
Möglichkeiten und wird meistens schon beim Kauf eines Brennlaufwerkes für CD/DVD mitgeliefert. Nicht unerheblich für den Schutz der Bilddateien ist die richtige Lagerung des Speichermediums (Staubfreiheit, Temperatur,
Lichteinfall, Stabilität). Ein sicherlich großes Thema wird in Zukunft die wirkliche Haltbarkeit und Lesbarkeit der heute abgespeicherten Daten sein. Um viele Bilder so zu verwalten, daß man sie auch einfach
wiederfindet, ist eine sorgfältige Auswahl eines Bildverwaltungsprogramms von Nöten, mit Hilfe dessen sich die Bilder katalogisieren und intuitiv auch finden lassen. Für eine erste Orientierung, werden hier die Programme
ThumbsPlus Pro, Cumulus Plus, Extensis Portfolio und Adobe Photoshop Album kurz charakterisiert. Die meisten Programme gibt es im Internet als Testversion. Hierzu bieten die Autoren eine Übersicht von verschiedenen
Anbietern von Bildverwaltungsprogrammen inklusive Preisangaben und welches Programm für wen geeignet ist, ob Amateur oder Profi.
Last, but not least, wird dieses sehr praktische Handbuch mit einem Glossar mit
Erläuterungen der am häufigsten verwendeten Begriffe, Tool-Adressen, einem ausführlichem Literatur- und Quellenverzeichnis sowie Index abgeschlossen
Der Preis des Buches mag vielleicht noch die spontane
Kaufentscheidung mit Blick auf den Geldbeutel etwas hemmen, aber man muss bedenken, daß die Autoren sich sehr viel Mühe gegeben haben, technische Sachverhalte, auch für den Einsteiger in die digitale Bildverarbeitung, so
aufzubereiten, daß man wirklich Lust bekommt, mit der beschriebenen Technik, die man hier mit an die Hand bekommt, schöne Bilder zu produzieren und lange Freude daran zu haben. Zudem wurde das Werk aus dem Englischen ins
Deutsche übersetzt, entsprechend mit deutschen Dialogboxen und Screenshots aufbereitet sowie um deutsche Quellenangaben erweitert.
Die digitale Dunkelkammer - Vom Kamera-File zum perfekten
Print
Arbeitsschritte, Techniken, Werkzeuge
Autoren: Bettina und Uwe Steinmüller
erschienen im dpunkt Verlag / ISBN 3-89864-301-8 / 44,-- Euro
www.dpunkt.de