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by Rolf Sempert 11.04

Unser ägyptischer Tauchguide Rade und die anderen Ägypter im Strandrestaurant gleich hinter dem berühmten Canyon, können sich vor lachen kaum noch halten. Eben ist eine hellbeige gefärbte Schlange mit unglaublichem Tempo über die am Boden liegenden Matratzen und die dort die Mittagsruhe genießenden Taucher hinweg geglitten. Klar, dass der Schreck so manchem in die Glieder fuhr und die meisten von uns – die Ägypter eingeschlossen – hektisch aufsprangen. War auch zu komisch, wie alle sich plötzlich so schnell bewegten!  Kichernd und gackernd amüsieren sie sich köstlich über die unwissenden Europäer und deren Angst. Lachend, und wohl den eigenen Schreck damit kaschierend, erklärt uns Rade: „Completely harmless. This kind of Snake is not poisonous!“ Beruhigend, nun im Nachhinein, dass die Schlange also völlig harmlos und ungiftig war!

Rund 28 Jahre nach meinem ersten Aufenthalt bin ich wieder einmal in Dahab.
Damals war Dahab eine winzige Beduinensiedlung auf halbem Wege zwischen Eiltat und Sharm el Sheikh und seine Attraktion waren Tauchplätze mit vielversprechenden Namen wie “Blue Hole“ und „Canyon“. Eine touristische Infrastruktur war praktisch nicht vorhanden, faktisch bestand sie aus einem Einfachst-Hotel mit Tauchbasis.

Seither hat sich natürlich vieles verändert. Aus der kleinen Siedlung ist ein prosperierendes Städtchen geworden. Und dennoch erinnert noch vieles an das Dahab der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Dahab galt immer als alternativ in zweierlei Hinsicht. Sowohl als Alternative zu Sharm als auch als alternativ im Sinne von anders. Je weiter sich Sharm zum Touristenzentrum vom Schlage eines Rimini entwickelte, desto größerer Beliebtheit erfreute sich Dahab als Geheimtipp für jene, die den Rummel in den touristischen Hochburgen abgrundtief hassen. Dahab mit seinen Backpacker-Hotels und seinen einfachen Camps war da ohne Zweifel eine Ausweichmöglichkeit. Dies gilt durchaus auch noch heute. Fraglich ist allerdings, wie lange noch? Noch sind in Dahab eine Vielzahl der, einst so beliebten, „Camps“ verfügbar, in denen für minimales Geld „Null Komfort“ geboten wird. Ein Bett, ein Dach über dem Kopf und Gemeinschaftsduschen mit fließend kaltem, Salzwasser. Aber, genau das war und ist es, was vielen als das „echte Dahabfeeling“ galt und gilt. Aber, Dahab ist im Wandel! Schon sind viele neue, durchaus komfortable Hotels und Resorts entstanden. Schon haben sich die Hilton Kette und ein Swiss Inn angesiedelt, Hotel-Resorts die blanken Luxus bieten. Zwar gibt es noch immer auch Hotels, aus deren Duschköpfen Salzwasser rieselt – wenn denn etwas rieselt und die Duschen nicht verstopft sind. Aber, diese werden nach und nach auf Frischwasser umgestellt. Derzeit befindet sich eine große Entsalzungsanlage im Bau, die, wenn sie in wenigen Monaten fertiggestellt sein wird, ganz Dahab rund um die Uhr mit Frischwasser versorgen kann.
Entlang des endlos erscheinenden Strandes der Bucht von Dahab schlängelt sich seit einiger Zeit eine wunderschöne Uferpromenade. Teilweise bereits beleuchtet. Im Kern der Bucht reihen sich Restaurant an Restaurant und Bar an Cafe. Auch hier, wie in allen touristischen Zentren, versuchen Schlepper die geneigten Gäste in ihre Etablissements zu locken. Aber, und das ist es, was dem leidgeprüften Ägyptenreisenden positiv auffällt, bei weitem nicht so aufdringlich und aggressiv wie an manch anderer Stelle. Im Gegenteil, die Jungs sind meist ausgesprochen freundlich, sehr, sehr fröhlich und häufig auch ausgesprochen witzig und kreativ. Aber auch hier zeigt sich die Ambivalenz von Dahab – die Uferpromenade ist zweifellos vom Feinsten, aber immer noch, wie seit jeher, finden sich allüberall Ziegenköddel und Kameldung.....
Was in Sharm el Sheikh oder Taba undenkbar wäre, in Dahab ist es normal: Ziegenherden, die mitten im Ort nach Futter suchen, Kamele, die einfach an einer Hausecke festgemacht sind und auf Ladung oder Futter warten.
Doch diese Idylle, so es denn eine solche ist, wird wohl kaum noch lange bestehen. Es ist unübersehbar, dass aus Dahab ein devisenbringender Touristenort vom Zuschnitt von Sharm werden soll. Deutlich erkennbar wird viel Geld in Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur gesteckt. Seit einigen Monaten besteht eine asphaltierte Strasse entlang der Bucht, zu den meistbesuchten Tauchspots ‚Canyon’ und ‚Blue Hole’. Vorbei die Zeit, da die unzähligen Allradfahrzeuge am Strand entlang holperten und Tonnen von Staub und Sand aufwirbelten, der sich dann auf den Riffen ablagerte. Die Strasse vom Flughafen Sharm el Sheikh nach Dahab weist einen funkelnagelneuen Belag auf – was die ägyptischen Piloten der Transferbusse häufig zu einer Fahrweise verleitet, die dem Passagier den Angstschweiß auf die Stirn treibt – offenbar sehen sich die Fahrer alle als verhinderte Formel I Piloten.
Schon jetzt gilt, dass neu gebaute Hotels an der Küste eigene Stege über die Riffplatte anzulegen haben um den Zugang zu den Riffen gleichzeitig zu erleichtern wie auch die Riffplatten zu schonen. Die bestehenden Häuser werden dies sicher nachvollziehen müssen. Von da ist es nicht mehr weit zu den ersten Tauchbooten und das tauchen nach dem „Old fashioned way“, das heißt zu Fuß in voller Montur über die Riffplatte, gehört der Vergangenheit an.
Ist diese Entwicklung nun zu begrüßen, oder ist es zu bedauern, dass die alte Rucksacktouristen - Romantik unwiederbringlich verloren geht? Zugegeben, wir können uns nicht so richtig entscheiden! So ambivalent sich Dahab derzeit noch präsentiert, so ambivalent ist auch unsere Meinung zu dieser Entwicklung. Wohl würde ein voll erschlossenes Dahab mit der erforderlichen touristischen Infrastruktur vermutlich einiges an Buchungen und damit Druck vom überlaufenen Scharm el Sheikh abziehen. Andererseits aber verlöre Dahab seinen unnachahmlichen Reiz des Alternativen. Beides, Entwicklung zum Massenziel wie auch Erhalt des Bestehenden hat seine Vorzüge. Vermutlich wird über kurz oder lang, das Bedauern über die verlorene letzte Rustikaldestination auf dem Sinai überwiegen. Wir hören schon die Gespräche and den Bars der dann voll klimatisierten Hotels: „Weißt Du noch, damals im Schlafsack....?“

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