Tauchunfall und Druckkammerbehandlung
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Dr. Urs Braumandl - HBO-Zentrum Regensburg |
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Dr. Ulrich v. Laak - Schifffahrtmedizinisches Institut der Bundesmarine |
Die Behandlung von Tauchunfällen brachte in den vergangenen Jahren Druckkammern in den Mittelpunkt des allgemeinen Interesses – zumindest bei
Sporttauchern. Wenn auch eine Druckkammerbehandlung bei den klassischen Dekompressionserkrankungen bis hin zur lebensrettenden Maßnahme einzustufen ist, haben sich in der Medizin eine Reihe weiterer Erkrankungen unter
erhöhtem Sauerstoffdruck als hervorragend therapierbar erwiesen. Von der Kohlenmonixid-Vergiftung über den Schlaganfall, Tinitus (Ohrgeräusche), Gasbrand, Heilung von durch Krebsbestrahlung geschädigter Gewebe und
Herzinfarktbehandlung stehen neben weiteren Indikationen auf der Liste der möglichen Einsatzgebiete von Druckkammern. Viele der über den Tauchunfall hinaus gehenden Erkrankungen könnten mit hoher Wahrscheinlichkeit
wirkungsvoller behandelt werden, hätte man sich hier zu Lande durchringen können den Katalog der durch Hyperbarmedizin zu versorgenden Leiden neu zu formulieren. Trotz eindrucksvoller Erfolge ist dies aber bis heute
noch nicht in dem Rahmen geschehen, in dem nachweislich bessere Heilungschancen bestehen, als bei den klassischen Therapieformen.
So neu ist die Idee der Behandlung von Krankheiten unter Einfluss von
erhöhtem Luftdruck oder Sauerstoffgaben unter erhöhtem Druck eigentlich nicht. Bereits 1662 hatte der englische Arzt Henshaw darüber nachgedacht, 1783 stellte die Harlemer Akademie der Wissenschaften die Gestaltung
einer Druckkammer als Preisaufgabe. In Montpellier wurde 1832 von Tabarie die erste „Pneumatische Kammer“ errichtet. Um 1834 erfolgte die erste Behandlung bei 3 bar Kammerdruck. Im Jahr 1866 wurde die erste Kammer
in Deutschland in Betrieb genommen. Diese stand im bayerischen Bad Reichenhall und diente in erster Linie zu Kurzwecken.
Die moderne Sauerstoff – Überdruckbehandlung (HBO) schließlich hatte ihren Ursprung
in den Niederlanden. Dort wurden in den fünfziger Jahren chirurgische Eingriffe am Herz in unter Überdruck stehenden Operationssälen vorgenommen um so dem Körper genügend Sauerstoff zuzuführen. Mit der Entwicklung der
Herz – Lungenmaschinen wurde dieses Verfahren jedoch überflüssig.
Glichen die ersten Kammern entweder furchterregenden Metallzylindern ohne jeden Komfort, gab es aber auch das genaue Gegenteil, in Form
eines Zimmers errichtete Räume, die sogar große abgedichtete Fenster mit Blick auf die Natur vor dem Behandlungszentrum boten – eingerichtet mit Plüschsesseln und Möbeln. Bereits vor 1900 wurde die sog.
Caissonkrankheit, die zunächst bei Arbeitern festgestellt wurde, die in Taucherglocken an Brückenfundamenten arbeiteten, in Druckkammern behandelt. Schon 1908 wurde dazu Sauerstoffatmung zusätzlich eingesetzt. Somit
steht die Behandlung von Dekompressionserkrankungen tatsächlich als älteste prinzipielle Aufgabe von Druckkammern in den Annalen verzeichnet.
Heutige Druckkammerzentren, von denen es etwa 100 allein in Deutschland gibt, gleichen nicht mehr den martialischen Einrichtungen der ersten Stunde. Sie sind moderne medizinische
Dienstleistungsunternehmen, wie das von uns besuchte HBO-Zentrum von Dr. Urs Braumandl in Regensburg, die dem Tauchnotfall offen stehen - überwiegend aber andere therapeutische Aufgaben erfüllen. Deren Inneres gleicht eher einem modernen Großraumflugzeug inklusive LCD-Bildschirmen für Videofilmbetrachtung auf allen Plätzen, zur Verkürzung der oft mehrere Stunden in Anspruch nehmenden Behandlungsdauer. Aber innerhalb weniger Minuten sind diese Kammern auch für die Intensivbehandlung schwer verunfallter Taucher herzurichten.
Noch längst nicht alle durch Überdruck zu behandelnde Erkrankungen sind heute aufgelistet. Daran arbeitet man in einer Reihe von HBO-Zentren, die Universitätskliniken angeschlossen sind, auch heute noch. Etwas ruhiger wurde es dagegen bei den Tieftauch – Versuchen mit Menschen, bei denen geklärt werden sollte, bis zu welchem Überdruck Menschen noch zur Verrichtung sinnvoller Arbeiten eingesetzt werden können. Dazu wurden in den 90er Jahren in der Druckkammer TITAN der Deutschen Luft- und Raumfahrt - Versuchsanstalt in Köln Versuchspersonen bis auf eine simulierte Tiefe von 615 Metern gebracht, dem größten Druck, unter dem weltweit bei Experimenten bis heute mit Menschen gearbeitet wurde. Doch die dabei gewonnen Ergebnisse ließen wohl die Erkenntnis wachsen, dass bei der Erforschung der Meere oder bei Wartungsarbeiten in großen Tiefen der Einsatz von Robotern oder von Tauchgeräten, die den Menschen vor dem hohen Umgebungsdruck schützen, sinnvoller ist. Nicht nur, dass durch den hohen Druck und die Zusammensetzung der Atemgase (hoher Heliumanteil) die normale Verständigung untereinander mit der eigenen Stimme unmöglich geworden ist, auch sind Ausfälle im Reizleitungssystem der Nerven feststellbar, Halluzinationen treten auf und die psychische Belastung ist enorm. Mit einem Seitenblick auf die Möglichkeit der Flüssigkeitsatmung durch mit Sauerstoff angereicherte Medien, so wie es im Film Abyss (unter Anlehnung an Experimente russischer Wissenschaftler mit Mäusen) fiktiv gezeigt wurde, kann man heute schon sagen, dass das für menschliche Organismen nicht möglich sein wird, da der Kraftaufwand beim Flüssigkeitsaustausch in den Lungen die Atemmuskulatur wesentlich überfordert. Deshalb setzt die Natur bei den Kiemenatmern auch auf den Durchfluss des Wassers und nicht auf eine „Sackatmung“, wie bei Säugetieren und schließlich auch beim Menschen.
Forschung und Tests im Umfeld von Taucheinsätzen sowie die prinzipielle Möglichkeit auch schwere Tauchunfälle unter Druck operativ zu behandeln sind besondere Möglichkeiten der Druckkammer – Anlage HYDRA 2000 im Schifffahrtmedizinischen Institut der Bundesmarine in Kiel – Kronshagen. Der bekannte Tauchmediziner Dr. Ulrich van Laak hat in dem Institut seinen Arbeitsplatz. In erster Linie werden hier ausführliche Tauchtauglichkeitstest für die militärische Eignung vorgenommen. Durch ständig neue Erkenntnisse, die hier gewonnen werden, wird aber auch der Tauchsport sicherer und physikalisch/chemische Zusammenhänge werden durchschaubar
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Weblinks Überdruckmedizin |
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Verband Deutscher Druckkammerzentren e.V. |
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Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin GTÜM |