by Ilka Weber 03.07
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Tauchen assoziiert selbst ein Nichttaucher spontan mit dem Roten Meer und Ägypten. Farbenfrohe Fische, Korallen in allen erdenklichen Formen und
glasklares Wasser, so kennt jeder Ägypten unter der Wasseroberfläche. Manchmal aber, wie wir wissen, verbirgt das Wasser beachtliche Fundstücke vergangener Epochen. Wracks und Amphoren, durch Kriege oder
schwere Wetter für immer vom Meer verschlungen, können vielerorts nur von Tauchern bestaunt werden oder werden gar mehr oder wenig fachmännisch geborgen. Ein wahrer Meister dieses Gebiets ist Franck Goddio, der
ursprünglich nach seinem Mathematik und Statistik - Studium als Finanzberater der Vereinten Nationen tätig war, später aber Nadelstreifen und Hemdsärmel gegen Neopren und Vollgesichtsmaske eintauschte.
Franck Goddio hat das Aufspüren von Relikten vergangener Kulturen zu seinem Steckenpferd und Beruf gemacht. Außerordentliche Funde, wie die einer mit feinstem Porzellan beladenen chinesischen Dschunke,
krönten bereits seine Arbeit und machten seinen Namen nicht nur in Taucherkreisen weltbekannt.
Eines jedoch wird wohl lange nicht zu übertreffen sein: Die außerordentlichen Funde vor der heutigen Hafenstadt
Alexandria, der "Perle des Mittelmeers", sowie in der Bucht von Abukir. Dazu die sagenumwobene, längst verloren geglaubte Stadt Herakleon und der antike Hafen von Alexandria mit Teilen des Königsviertels,
sowie Teile der Stadt Kanopus, die erstmals vom 13.5. bis 4.9.06 in Berlin ausgestellt wurden und nun in der Bundeskunsthalle in Bonn, vom 5. April 07 bis 27. Januar 08
gezeigt wird.
Die Besucher können 498 erstaunlich gut erhaltene Fundstücke des Alten Ägypten auf sich wirken lassen. Einige der Statuen sind so gewaltig, dass sie mittels Kran durch die Fenster des Baus
befördert werden mussten. Große Beluga-Transportflugzeuge waren vonnöten, um die gut 5 m hohen Statuen aus Rosenquarz nach Bonn zu schaffen. Angesichts solcher Dimensionen ist es umso verwunderlicher, welch kleine
Goldmünzen, Ringe und Ohrschmuck, ja selbst die Tülle einer Babyflasche das Team um Franck Goddio barg.
Sogar anfänglich eher unscheinbare, gut fingergroße Objekte, später als steinerne Phalli für
Götteropfer identifiziert, wurden entdeckt und zeugen von den delikaten Seiten jener Kulturepoche.
Die Bevölkerung Alexandrias war verwegen und unsentimental, Krüppel, Bettler und Huren zog die pulsierende Stadt
mit etwa 600.000 Einwohnern ebenso an, wie reiche Handelsleute und Herrscher. Ein Wirtschaftsriese, jedoch ohne inneren Halt, der sinnlichen Raserei verfallen, die Metropole mutete morsch an und zugleich gleißend
vital.
Im Königsbezirk mit Tempeln, Gärten, Marmorpalästen, Harems- und Büroräumen, verteilt über fast ein Viertel der gesamten Fläche der Stadt, lebte eine Dynastie von Gottkönigen, die einen bizarren und
frevelhaften Lebensstil pflegten. Prunkvolle Bauten bewohnten diese, mit inzwischen zerborstenem Basaltpflaster, auf dem einst gespreizte Höflinge zu Banketten schritten und sich an erotischen Gesängen ergötzten.
Einige der Hausherren sind nun als Statuen in der Ausstellung „Ägyptens versunkene Schätze“ zu bewundern. Sie lächeln nett, haben sanfte Gesichter. Jedoch der Schein trügt. Brutale Morde wurden regelrecht
inszeniert; Giftbecher und Dolche kreisten in der aus leuchtendem Marmor errichteten Machtzentrale am Nildelta. Selbst Kleopatra, sündige, aber oft ein wenig verklärt positiv dargestellte Regentin, schreckte vor
Mord nicht zurück. Sie ließ ihren Bruder beseitigen und gab sich in ihrem Boudoir der schwarzen Magie und Zauberei hin. Römische Historiker stellten sie wiederum als leichtlebiges Luxusflittchen dar.
Die
gezeigten Objekte werden, apart in sanftes Licht gehüllt, in den einzelnen Räumen, jeweils in Zusammenhang mit den Fundorten gebracht, Schaukästen zeigen Hintergrundinformationen, Lagepläne und Grundrisse der
ertauchten Gelände, Modelle der Hafenanlagen und Königpaläste. Übergroße Fotos und Videos des Tauchteams um Franck Goddio auf Bildschirme und Leinwände projiziert runden das Gesamtbild ab und machen den Besuch zu
einem eindrucksvollen Spaziergang durch die Vergangenheit. Wer mag, wird über einen Audioführer im handlichen Handyformat über Details informiert.
Fazit: ein spannender und aufschlussreicher „Tauchgang“
in die frühe Geschichte unserer Zivilisation, eindrucksvoll dokumentiert und dargelegt anhand von unzähligen Fundstücken, sorgsam aus dem Roten Meer geborgen, katalogisiert und zu einem beeindruckenden Gesamtbild
zusammengefügt. Auch für sonst an Archäologie und Geschichte eher Uninteressierten ein bleibendes Erlebnis.
Das Buch Ägyptens versunkene Schätze – vorgestellt in UnterWasserWelt
www.aegyptens-versunkene-schaetze.org
www.franckgoddio.org