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Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

by Falk Wieland 5.13

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

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Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Hohenerxleben © UWW Falk Wieland

Es gibt nur wenige Tauchgewässer mit Bergbauvergangenheit in der BRD, in denen nach der Flutung mehr oder weniger gut erhaltene Gesteinsbrecheranlagen oder Rüttlerbauwerke zurückgeblieben sind. Der Tauchplatz Hemmoor mit dem  Rüttlerturm samt Zufahrt ist legendär, ebenso die Infrastruktur für Taucher am See. Dieser großartige Platz hat so etwas wie einen unbekannten kleinen Bruder: Den Kalksteinbruch von Hohenerxleben in Sachsen-Anhalt. Hier finden wir in flachem Wasser einen gut erhaltenen Rüttler aus Stahl. Der See ist wild, neudeutsch „naturbelassen“, denn eben jene Natur hat die Grube vollständig zurückerobert und Infrastruktur gibt es - keine.

Hohenerxleben in Sachsen-Anhalt erreichen wir rasch über die A14, AS Staßfurt und Neugattersleben. Von der Eisenbahnbrücke an der Ortseinfahrt von Hohenerxleben können wir unser Zielobjekt, den bizarren Kalksee, kurz sehen und uns einen ersten Eindruck verschaffen. Steile blassgraue Wände, die aus den amerikanischen „Bad Lands“ stammen könnten, umschließen eine blaugrüne Wasserfläche. In den Wänden blühen Ginster und Hagebutten. Aus dem Wasser ragen Bäume und Sträucher auf.
Während der weiteren Anfahrt über Feldwege kommt der See außer Sicht. Zunächst müssen wir einen langen v-förmigen Plattenweg ins Hinterland fahren, um den kleinen Parkplatz bei der historischen Einfahrt des alten Kalksteinbruches zu erreichen. Die „Google-Earth-Draufsicht“ hilft ungemein. Die überflutete Grubenfläche mag vielleicht 120 x 80 Meter groß sein.
Wer seine unterseeischen Erkundungen in der Tiefe beginnen will, muss ab dem einzigen Einstieg etwa Kompasskurs 120 Grad schwimmen. So erreicht man die tiefsten, das meint 14 - 15 Meter tiefen Regionen direkt. Wir schweben zunächst im Flachwasser. Döbel umkreisen uns, verschiedene Characeen wuchern zwischen überfluteten Weiden. Dort ziehen Rotfedern ihrer Wege. Ein meterlanger Aal entfernt sich rasch, an Hechten fehlt es auch nicht. Sogar einen Wels sehen wir entschweben. Auch einige größere Karpfen soll es geben.
Wir tauchen an den zerklüfteten Kalksteinwänden ab und pendeln über strukturreichen Felsvorsprüngen zwischen 8 und 15 Metern Tiefe. Hier unten entdecken wir die Entwässerungsleitung der Grube mit komplett erhaltener Kreiselpumpe. Am gering mit Grünalgen bewachsenen, überwiegend kahlen Grunde leben ein paar Gründlinge und Krebse.
Wüst liegen verschiedene Gittermasten, die wohl einst dem Heben des Gesteins per Seilbahn dienten, im grünen Dämmerlicht. Schubkarren und Stahlunterstände liegen im See. Wir finden verschiedenste Fundamente. In der Tiefe liegen Schmalspur-Grubenbahngleise. An einigen Stellen wurden offenbar ausgediente Gleise verwendet, um Geröllhalden zu stabilisieren.
Der See ist nicht tief. Von regionalen Tauchern haben wir gehört, dass der Wasserstand des Gewässers stark schwankt. Wir pendeln so etwa zwischen 6 und 10 Meter Tiefe, um bei der kompletten Umrundung des Sees nichts zu verpassen. Dann kommt uns ein ziegelgemauerter Sockel in den Blick, der bis etwa drei Meter unter die Wasseroberfläche reicht. Obenauf stecken Gewindebolzen in diesem Fundament, das wohl auch einmal einen Mast trug. Im Inneren des Ziegelmauerwerks existiert ein kleiner ein Hohlraum. Über allem und auch im Bauwerk kreist ein standorttreuer Schwarm handgroßer Barsche. Deren geringe Größe ist nicht verwunderlich, denn der Kalksee wird nicht allzu viel Futter bieten.
Der Hit ist die nahezu komplett erhaltene Anlage aus Stahlprofilen und Mauerwerk, die unterhalb des Ziegelsockels bis auf den Grund reicht. Die wuchtige Stahlkonstruktion halten wir für eine kombinierte Bergbau-Maschinerie, die vermutlich Gesteinsbrecher, Rüttler und Verladeeinrichtung in einem war. Deutlich ist die Rolle zu sehen. Eine „Rolle“ nennt der Bergmann jene trichterartigen Rutschen, über die man gebrochenes Gestein oder Erze wohldosiert in Loren „ablassen“ kann.
Hier in Hohenerxleben ist alles eine Nummer kleiner und flacher als der berühmte Rüttler in Hemmoor, aber genauso interessant und relativ vollständig. Auf mehr als 15 Meter Tauchtiefe kommt man im Ganzen kaum, dafür erweist sich der Stahlbrecher- und Rüttler als ein wesentlich detailreicheres Fotomotiv als der Stahlbetonturm im Kreidesee.
Ungefähr ein Drittel der sichtbaren Wasserfläche von Hohenerxleben hat mehr die Tiefe eines Schnorchelreviers, in dem man zwischen schleimalgen - verhangenen Bäumen und Sträuchern Hecht und Karausche nachspüren kann. Bald geht unsere Luft zu Ende und lässt für diesmal keine Zeit, den bekannten Felsstolln des Steinbruchsees zu erkunden.
Zu dem langen Gang im Kalkstein müssen wir erzählen, dass sich in diesem wüsten, sehr unebenen Gelände zwischen der Bahnlinie und einer Moto-Cross-Strecke eigentlich drei alte Steinbruchkessel verbergen. Der einzige zum Tauchen geeignete See ist durch einen etwa 130 Meter langen Felsstollen mit einem zweiten Steinbruch verbunden.
Der Wasserstand schwankt in Hohenerxleben so stark, dass sich dieser Stolln manchmal in ganz geringer Tiefe betauchen lässt. Zu anderen Zeiten kann man den Stolln trockenen Fußes passieren. Im Internet findet man auch Bilder, die das spannende Bauwerk halb voll, das heißt hüfttief voll Wasser, zeigen. Wenn Sie den Stollen betauchbar antreffen: ganz hinten wird es deutlich enger als dicht beim Tauchsee. Doppelgeräte, Reel und Erfahrungen im Höhlentauchen sollten vorhanden sein, denn auch ein nur zwei Meter unter Wasser liegender Stolln verzeiht keine Irrtümer.
Ganz begeistert von den ungewöhnlichen Eindrücken, schleppen wir keuchend das Equipment zum Auto zurück. Der Aufstieg „danach“ hat es dann in sich, denn auch der nächstmögliche Ort zum Parken erfordert locker 200 Meter Ausrüstungstrecking. Hier befindet sich nichts außer Feld, Wiese und einer kleinen Feuerstelle.

Haben Sie je vorher von Hohenerxleben gehört? Wir auch nicht.Der kleine Ort ist auf jeden Fall eine Wochenendreise wert. Neben dem Kalksteinbruchsee sind vor allem die Bode - Auen sehenswert. Wer neben dem Tauchzeug ein Fahrrad mitführt, kann sich gut den Auenlandschaftspark erschließen. Dieser erstreckt sich von Hohenerxleben über Löbnitz bis Neugattersleben. Die Tour ist gut fahrbar und Teil des Europa-Radweges R1.
Außerdem besitzt Hohenerxleben ein sehenswertes Schloss, das seit 1205 besteht und anfangs Ritterburg war. Heute wird der markante Bau von der „Schloss Theatrum Herberge Hohenerxleben Stiftung“ betrieben. Der Name ist Programm: Man findet edle Unterkünfte im historischen Gemäuer, mit Restaurant-Cafe, Theater und Künstler-Werkstätten. Seien es außergewöhnliche Kulturstätten oder Tauchgewässer, Deutschland bietet immer wieder Raum für Entdeckungen.


Nächste Füllstationen:
Tauchshop Bernburg www.tauchschule-bernburg.de 
Tauchbasis Löbejün www.taucherkessel.com 
Tauchbasis Bernsteinsee/Goitzsche www.tauchlehrer.com 

Unterkünfte in Hohenerxleben:
www.pension-alte-eiche.de  
www.schloss-hohenerxleben.de