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Lebensgefahr: Selbstüberschätzung

by Kay-Uwe Rother / Ilka Weber UWW 12.05

Kay-Uwe Rother

Es ist immer wieder ein heißes Diskussionsthema unter Tauchern, wo, wie und bei wem ein Tauchinteressierter nun seine Ausbildung machen soll. Die einen forcieren die Tauchausbildung in heimischen Gewässern á la „nur die Harten kommen in den Garten“, andere wiederum bevorzugen die entspannte Atmosphäre im Urlaub, womöglich noch mit Strandbar-Nähe und unter schattenspendenden Palmen. Ein Gespräch mit Kay-Uwe Rother, 41 Jahre aus Berlin wirft nun wieder ein ganz anderes Licht auf diese Urlaubsidylle!

Kay machte 1992 seinen OWD PDIC Tauchschein in Krabi/Thailand mehr oder minder im Schnellverfahren aus reiner Urlaubslaune heraus. Mit ganzen 9 Tauchgängen im Logbuch und wie der Berliner so schön sagt „stolz wie Oskar“ kaufte er, kaum in Deutschland gelandet eine komplette Tauchausrüstung. Sein nächster und somit 10. Tauchgang sollte mit einem Bekannten, der einiges mehr an Taucherfahrung aufzuweisen hatte, im Sakrower See (in Taucherkreisen für seine meist mäßige Sicht bekannt)  bei Berlin stattfinden. Es war der 9. Juli 1992, Kay kam bereits müde von der Arbeit, aber der heiße Sommertag lockte an den See und die neu erstandene Tauchausrüstung sollte gebührend eingeweiht werden.

Nach dem Buddycheck ging es ins Wasser. Die beiden schwammen hinaus in Richtung Seemitte, um dort per Freiwasser-Abstieg ihren Tauchgang zu beginnen. Etwas außer Atem tauchten beide nach kurzer Tauchgangsbesprechung mit einer nicht eingehängten Buddyleine zusammen ab. Kay bekam erste Probleme, da die ungewohnten 7mm dicken Dreifinger - Handschuhe den Griff zum Inflator deutlich erschwerten. Sein Tauchpartner, der in normalem Tempo weiter abtauchte, bemerkte von alldem nichts. Kay vergaß vor Aufregung den Druckausgleich in Ohren und Maske, er hatte Wadenkrämpfe und begann zu frieren. Die Buddyleine ließ er los und schoss ohne auszuatmen und die Luftwege freizumachen aus etwa 9 m Tiefe an die Wasseroberfläche; er verspürte ein Engegefühl über dem Brustkorb, führte dies aber auf sein vollständig gefülltes Jacket zurück. Kay´s Buddy folgte umgehend und beide bemerkten, Blut an Kay´s Lippen. Dies wusch Kay lediglich ab und beantwortete bejahend die besorgte Nachfrage, ob alles in Ordnung sei. Erneut tauchten beide ab. Bei etwa 15 m Tiefe bemerkte Kay ein Gefühl, „als ob ihm die Augen aus den Höhlen hervortreten würden“ (er hatte den Druckausgleich der Maske vergessen) und bekam Kopfschmerzen. In panischer Angst signalisierte er seinem Tauchpartner, in jetzt 18 m Tiefe, auftauchen zu wollen und schoss erneut nach oben. An der Wasseroberfläche stellte sich sofort Schwindel ein, er sah Doppelbilder und verspürte nach wie vor das Engegefühl über dem Brustkorb. Er spuckte mehrfach Blut. Völlig erschöpft und nicht in der Lage, selbstständig ans Ufer zu schwimmen, musste Kay´s Tauchpartner ihm ans Ufer helfen.
Hier setzten sie sich erst einmal hin und besprachen das Erlebte, allerdings konnte Kay´s Tauchpartner die Beschwerden nicht zuordnen. Sie fuhren mit dem Auto nach Berlin - Spandau, wo Kay wohnt, aber nachdem es Kay während der Fahrt immer schlechter ging, beschloss der Tauchpartner ihn zum DLRG Tauchturm zu fahren, da er wusste, dass dort Mittwochs ein Taucharzt Sprechstunde hält. Dieser war allerdings nicht zugegen. Kay wurde erstmalig untersucht und verlor noch dabei das Bewusstsein. Die Mitarbeiter des DLRG riefen die Feuerwehr, diese fuhren Kay ins Virchow - Krankenhaus, wo er in der Notaufnahme erstmalig ausführlich untersucht wurde. Er war zeitweise nicht ansprechbar. Die Ärzte des Virchow - Krankenhaus sahen sich allerdings nicht in der Lage, ihn zu behandeln und so fuhren sie ihn ins Institut für Hyperbare Sauerstofftherapie und Tauchmedizin im Oskar-Helene-Heim. Diese diagnostizierten: Barotrauma der Lunge, Cerebrale Luftembolie, Barotrauma der Augen und des Gesichtsschädels (Maskenbarotrauma), Verdacht auf Schädigung des vestibulären Systems im Stammhirn. Noch am selben Tag begann die Überdrucktherapie. Kay´s erste Frage beim Erwachen in der Klinik: „Kann ich wieder tauchen?“ brachte den Taucherarzt zum Erstaunen. Er riet ihm vom Tauchen generell ab, genehmigte aber das Tauchen nach vollständiger Genesung und regelmäßiger Kontrollen im Januar 1993 wieder.
Kay war in der Zeit Mitglied eines Tauchvereins und nahm regelmäßig am Hallenbad-Training teil. Bereits im März 1993 machte Kay seinen ersten Tauchgang nach dem Unfall in einem Baggersee bei Bitterfeld bei schlechter Sicht, Kälte und äußerst gemischten Gefühlen. Im April 93 buchte er eine Tauchsafari in Thailand.
Mittlerweile hat Kay 460 Tauchgänge bis dato in den verschiedensten Tauchgebieten der Welt absolviert. Sein Rat an alle die mit dem Tauchen beginnen wollen “macht eine qualifizierte Ausbildung in Deutschland und seid nicht so leichtfertig wie ich, damit Ihr nicht die selben Fehler macht!“