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by Herbert Frei 2.08

Über die Malediven liest man nahezu monatlich in allen Printmagazinen und Internetforen mal Erbauliches mal Langweiliges. Je nach dem wie die Storys zum x-ten Mal aufgewärmt wurden. Wenig erfährt man hingegen über das Hadalu-Atoll. Es liegt so weit im Norden, dass man glaubt, die zivilisierte Welt verlassen zu haben.  Doch das gibt es noch – die Malediven jenseits des Massentourismus.

Hanimaadhoo heißt die nördlichste Flughafeninsel des Inselstaates, die man mit einem Wasserflugzeug – Transfer erreicht. Noch herrscht hier Einsamkeit, Wildnis und Ruhe. Damit soll es nach dem Willen der maledivischen Regierung aber bald vorbei sein. Ein neu eröffnetes Luxusresort bietet Managern, Industriellen, Promis und Neureichen genügend Romantik und Abenteuer gegen wohlverdientes oder unverdientes Geld.
Die bessere Alternative für echte Taucher und UW-Fotografen ist die MS Amba, eines der besten und größten Safarischiffe in den Malediven, und das bishereinzige Liveaboard, das in den nördlichen Atollen kreuzt. Man kann nur hoffen, dass dieser paradiesische Zustand noch lange anhalten möge. Nichts ist schöner, als wenn man während des ganzen Urlaubs keine anderen Taucher zu Gesicht bekommt, wie die eigenen...

Tilas

Die Tauchplätze im Hadalu-Atoll sind weitgehend geprägt von unterseeischen Bergen, auf den Malediven Tilas genannt. In der Karibik sind es die Pinacles. Während der ersten Tourwoche wird ausschließlich an Tilas getaucht, deren höchste Erhebung vielfach nur bis 15 m an die Wasseroberfläche heranreichen. Der freie Abstieg zu den Tilas kann sich bei ungeübten Tauchern zu einem kleinen Problem aufstauen, insbesondere dann, wenn starke Strömungen den direkten Abstieg erschweren und man im freien Wasser vergeblich nach Grund und Boden Ausschau hält.
Die Topographie sowie der Fisch- und Korallenbestand der Tilas unterscheiden sich von Tauchplatz zu Tauchplatz. Viele sind von kleinen Schluchten durchzogen, gelegentliche Grotten und viele Überhänge am Grund der Tilas sorgen für reichlich Abwechslung. Grundsätzlich gilt, dass auch im hohen Norden ein Teil der maledivischen Korallenriffe hinsichtlich des Bewuchses durch den letzten El Nino (warme Meeresströmung 1998) und auch durch den 2005 erfolgten Tsunami (Flutwelle) immer noch sichtbar geschädigt sind. Aber zum Glück konnten sich manche Tauchgründe wie durch ein Wunder diesen Naturgewalten entziehen. An diesen Stellen sehen die Malediven dann noch so aus, wie in den 80er Jahren. Hier pulsiert das Leben wie zu Urzeiten. Fische finden sich zu Hunderttausenden ein. Die Weich- und Hartkorallen stehen unbeschädigt wie Zinnsoldaten in der Strömung. Es ist jene Art von Tilas, von denen man noch lange spricht, deren Namen man sich merkt. Faszinierend sind die großen Fischschwärme der Gelbstreifenschnapper. Napoleonfische stehen in der Strömung, Fledermauspulks patrouillieren an den Abhängen, Glasfische und Füseliere verdunkeln das Sonnenlicht.
Manche Tilas sind so groß, dass man sie während eines Tauchganges nicht umrunden kann, andere sind so klein, dass sie ohne Anstrengung von A bis Z erkundet werden können. Für UW-Fotografen und Filmer sind Tilas besondere Areale, weil die Tierwelt sehr vielseitig ist und sich an diesen Stellen im Meer sammelt. Denn außerhalb der Tilas findet sich meistens nur Sandgrund. Dieser endet normalerweise zwischen 30 m und 40 m, selten tiefer. Hier liegen dann aber häufig Leopardenhaie am Grund und Silvertip-Haie ziehen ihre Kreise. Je nach Lokalität trifft man auf Oktopusse, fast immer auf Soldatenfische und in den kleinen Riffspalten tummeln sich Schleimfische.
Allerdings kann sich das Fotografieren wegen Strömung und gelegentlich schlechter Sicht etwas schwierig gestalten. Hinzu kommt je nach Jahreszeit ab und zu ein dunkler Himmel, wenn sich Regenwolken zusammenbrauen und das Umgebungslicht noch mehr reduzieren. Dann versinkt die Unterwasserwelt wie unter einem Schleier, was aber der Action und dem visuellen Erlebnis nichts anhaben kann. Insofern kann der Tauchgang trotzdem ein besonderer sein. Neue Tilas findet die Besatzung der Amba entweder mit dem Echolot, vielfach aber über Gespräche mit einheimischen Fischern, die interessante Tauchgründe vorrangig nach dem Fischreichtum einordnen. Der absolute Knaller ist das Baarah-Tila. In 16-18 m Tiefe schwimmt tonnenweise Fisch über das Plateau. Die Fischsuppe ist so dicht, dass man stellenweise keinen Grund mehr sieht. Und über einem Korallenblock mit gelben Schnappern lassen sich Mantas an einer Putzerstation die Parasiten weglutschen. Baarah-Tila ist nicht nur in den nördlichen Malediven, sondern vermutlich auf den Malediven allgemein einer der fischreichsten Plätze, die man aufsuchen kann. Baarah-Tila ist Pflicht, wenn man mit der Amba unterwegs ist. Andere Basen und Schiffe, sofern sie sich demnächst dort oben etablieren wollen, kennen diesen Platz – noch - nicht.

Navaidu-Cave

Insbesondere an den Außenriffen finden sich viele Unterspülungen, Grotten und Höhlen. Teilweise sind deren Decken mit hängenden Weichkorallen in den Farben gelb, blau, rosa und violett bewachsen. Extrem groß ist Navaidu-Cave, ein gigantisches Loch, in das die Amba mehrmals hineinpassen würde. Obwohl nicht übermäßig bewachsen hat die Höhle ihren speziellen Reiz. Meistens liegen riesige Marmor- und Stachelrochen auf dem Sandgrund, an den Wänden huschen Höhlenfische umher. Soldatenfische, Husaren, Zackenbarsche und Süßlippen wagen sich weit ins Dunkel. Fotografieren ist nur möglich mit Pilotlicht oder Handscheinwerfer. Gigantisch ist der Blick vom Höhleninnern nach außen. Das Blau des Meeres schimmert intensiv; besonders reizvoll sind Taucher mit Lampen vor dem Höhleneingang.
Navaidu-Cave ist gefahrlos zu betauchen, da es keine Seitenarme gibt, in denen man sich verirren kann und man immer den Eingang sieht. Einziger beachtenswerter Punkt ist die Tiefe. Der gewaltige Höhleneingang liegt zwischen 20 und 35 Meter Tiefe. Bitte Nitrox verwenden und Deko beachten. Keine groben Späße mit den Rochen, etwa in die Enge treiben oder gar streicheln wollen. Halten Sie diesen Tieren  immer einen Fluchtweg frei. Mit dem Giftstachel ist nicht zu spaßen. In Bedrängnis wird der Schwanz mit enormer Geschwindigkeit wie eine Peitsche geschlagen. Ausweichen ist nicht möglich.

Madhooh-Wrack

1967 lief ein mit Steinen beladener kleiner Dampfer, der etwa 80 Jahre seinen Dienst auf See verrichtete,  auf ein vorgelagertes Riff im nördlichsten Malediven-Atoll und sank – vermutlich mit Mann und Maus. Das ca. 80 Jahre alte Schiff sank vermutlich mit Mann und Maus. Die Unglücksursache selbst liegt im Dunkeln. Konnten sich Beatzungsmitglieder retten? War der Kapitän betrunken oder hatte er sich bei Nacht und Nebel einfach verschätzt? In den nördlichen Malediven scheint es das einzige Wrack zu sein, das man bis jetzt entdeckt hat. Mit der Erschließung dieser noch unbekannten Tauchgründe dürften aber eventuell auch andere Havarien bekannt werden.
Mittlerweile ist das Madhooh-Wrack in viele Teile zerbrochen, aber optisch noch sehr attraktiv. Es ist von Ortskundigen relativ leicht zu finden, weil es etwas aus dem Wasser herausragt. Auch wenn man kein Wrackfan ist, kommt man dort auf seine Kosten, denn es tummeln sich Tausende Fische um den Eisenhaufen. In den Aufbauten und am Kamin stehen viele Falterfische, große Zackenbarsche lauern auf Beute, Kugelfische von beträchtlichem Umfang verstecken sich unter dem Havariegeröll. Um das Wrack gruppieren sich Schwarmfische aller Couleur. Mächtige Haimakrelen patrouillieren an der Außenseite. Schildkröten und Mantas können von Zeit zu Zeit beobachtet werden. Ein Ammenhai hat sich im Laderaum sein Revier abgesteckt.
Der Korallenbestand am Madhooh-Wrack ist sehr gut. Ein Großteil der Wrackteile ist mit gelben Aktinien bewachsen. Nachttauchgänge an dieser Stelle wären das Größte. Aufpassen sollte man beim Erkunden der Innenräume, weil man sich an spitzen Eisenteilen verletzen kann. So einfach das Madhooh-Wrack zu finden ist, so schwer machen es sich manchmal die Tauchguides. Um etwas Action aufkommen zu lassen, springen die Gruppen oft schon ein oder zweihundert Meter vorher ins Wasser, um sich an das Wrack heran treiben zu lassen. So lustig das sein kann, so niederschmetternd ist oft das Resultat, wenn der Tauchgang im Blauwasser endet, weil man sich hinsichtlich Strömung und Positionierung verschätzt hat.

Mantas

Die Maldiven sind ein Mantaparadies. Das kann man ohne Umschweife behaupten und auch bestätigen. In allen Atollen gibt es sog. Mantapoints, an denen sich die riesigen Rochen treffen. Im Prinzip sind es Putzerstationen, wo kleine Rifffische großflächig die Unterseiten der Mantas säubern, in dem sie parasitären Befall beseitigen. Da das Wasser in den Malediven jahreszeitlich bedingt stark eintrüben kann, finden die Mantas als Planktonfresser ideale Bedingungen.
Im nördlichen Hadalu-Atoll sollen sich nach Aussagen der Amba - Besatzung sehr viele Mantas aufhalten, was häufige und ausgiebige Mantabegegnungen bestätigen. So schwammen wir an einem sehr langen Riff entlang, fotografierten mal hier und mal da eine Mördermuschel oder einige Riffbarsche, als wie aus dem Nichts zwei Mantas auftauchten, jegliche Scheu vermissen ließen und mindestens 15 Minuten ihre Kreise um uns drehten. Manchmal waren sie so nah, dass selbst das Superweitwinkel mit seinem 110°-Bildwinkel ungeeignet für bildfüllende Darstellungen war. Eine andere erstaunliche Begegnung mit einem Manta hatten wir am Baarah-Tila. Bis auf Tuchfüllung kam er heran, stieg vor uns hoch, drehte seine Runden, hatte alle Scheu verloren. Die Luftblasen aus den Automaten störten ihn genauso wenig wie umher schwimmen am Grund oder vorsichtiges Hantieren mit der Kamera.
Und genau da liegt der Punkt. Klar, dass Fotografen und Filmer so nah wie möglich heranwollen, aber man sollte sich etwas zügeln. Hastiges Anschwimmen mögen sie nicht. Dann drehen sie meistens ab.
Wenn man in der Gruppe taucht, ist etwas Rücksicht angebracht. Andere wollen auch ein Bild machen, nicht nur der, der zufällig am nächsten dran ist. Die besten Aussichten hat man allein oder zu zweit. Beherrschung ist jedenfalls angesagt, wenn die grau-weißen Riesenrochen heransegeln. Aber das sagt sich so leicht. Wenn 10 UW-Fotografen auf den Schuss ihres Lebens hoffen, sind Logik und Verstand leider nicht mehr gruppenkonform. Beherrschen kann sich dann wohl nur der, der schon 50 gute Mantabilder im Kasten hat. Und das sind eben nicht viele.

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