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Situation Sangalaki 2000

by Eberhard Meyer 4.02

Reise von Dr. Hiltrud Cordes, Eberhard Meyer (Schildkrötenstiftung/Turtle Foundation) und Dr. Axel Redlich (wissensch. Berater der Schildkrötenstiftung) nach Indonesien (13.3. – 23.3.2000)

Sangalaki: Dr. Hiltrud Cordes, Stiftungsrat der Schildkrötenstiftung und Dr. Axel Redlich, wissenschaftlicher Berater, inspizieren den Strand. Treibholz - nicht selten Stämme von Urwaldriesen sind für viele Meeresschildkröten ein unüberwindbares Hindernis. Viele geben auf, kehren um. Z.T. werden die Eier dann ins Wasser abgegeben, wo natürlich auch kein Schlüpfen stattfindet.

Sangalaki. Dr. Cordes, Dr. Redlich und Herr Wayan, der Vertreter des
Indonesischen Instituts für Biodiversität (KEHATI), Jakarta

Sangalaki: In der Abenddämmerung kommen die Schildkröten zur Eiablage an Land. Jährlich werden es weniger.

Sangalaki: Grosse Mengen Treibholz behindern für die Schildkröten aktuell den Zugang zum Sandstrand . .

Fast ein ganzes Jahr ist es her, dass Michael Goldschmidt und Eberhard Meyer in Indonesien für den Bayerischen Rundfunk Unterwasseraufnahmen von Meeresschildkröten gemacht haben. Über Wasser, auf der kleinen Insel Sangalaki, wurden die beiden jedoch Zeugen eines Skandals, der sie nicht mehr losgelassen hat: Sämtliche Eier, die von Meeresschildkröten in der Nacht gelegt wurden, wurde von einer Handvoll Personen im Morgengrauen wieder ausgegraben. Schildkröteneier gelten in Indonesien und weiten Teilen Südost-Asiens als Delikatesse. Die regionale Regierung verkauft Sammel-Konzessionen, obwohl ein von der Zentralregierung in Jakarta erlassenes Gesetz alle Meeresschildkröten und ihre Gelege schützt.

Die beiden Filmemacher standen nicht allein. Der Bayerische Rundfunk berichtete in seiner Sendung „ZUFLUCHT WILDNIS – Wanderer in den Weltmeeren“ sowie in kurzen Vorabendsendungen von den Zuständen auf Sangalaki, im Internet und über seine Presseabteilung informierte der Sender zusätzlich. Beim Münchener Tierpark Hellabrunn wurde ein Sonderkonto eingerichtet, das Spenden für Hilfsinitiativen ermöglichen sollte. Das online - Tauchsportmagazin „UnterWasserWelt“ informierte ebenfalls ausführlich unter Angabe des Spendenkontos. Über 20.000 DM gingen bis November 1999 auf dieses Konto ein.

Weil sich schon bald abzeichnete, dass Hilfe für die Schildkröten von Sangalaki einen langen Atem braucht, wurde in Deutschland die „Schildkrötenstiftung“/Turtle Foundation gegründet, die sich in erster Linie für eine möglichst schnelle Hilfe engagiert.

Nach den politischen Unruhen in Indonesien und einer sich abzeichnenden Stabilisierung der Verhältnisse besuchten vom 13. bis zum 22 März zwei Mitglieder der Stiftung (Dr. Hiltrud Cordes und Eberhard Meyer) - sowie der wissenschaftliche Berater Dr. Axel Redlich die betroffene Region.

Dr. Jan Henning Steffen, der für die indonesische Artenschutzorganisation KEHATI arbeitet, konnte in Jakarta vom Einsatz des BR-Dokumentarfilms berichten, von dem inzwischen eine indonesische Version für Informationszwecke hergestellt worden war. Bereits auf einer ganzen Reihe von Workshops im Lande wurde mit seiner Hilfe das Problembewusstsein für die Bedrohung der Meeresschildkröten versucht zu wecken. Das positive Beispiel des brasilianischen Schutzprojekts TAMAR sollte die Indonesier anregen, auch an die mögliche Verbesserung der eigenen Lebensumstände in Folge von Artenschutz für Schildkröten zu denken.

Die Reise führte weiter nach Ost - Borneo, wo in der Provinzhauptstadt Samarinda und in dem Distriktzentrum Tanjung Redeb erste Informations-Gespräche mit lokalen Umwelt- und Artenschützern geführt wurden. Dort erfuhr man, dass in den nächsten Tagen mit Spannung die Entscheidung für die weitere Regelung der Sammelkonzession erwartet werde. Da die allgemeine politische Entwicklung in Indonesien auf eine weitere Entmachtung der Zentralgewalt hinausläuft, machte man sich im allgemeinen keine großen Hoffnungen für eine deutliche Verbesserung in Form von Einschränkungen für die Eiersammler. Dennoch blieben gewisse Erwartungen für die Insel Sangalaki, da den Behörden inzwischen u.a. vermittelt worden war, dass sich sogar das Ausland für diesen Fall anfängt zu interessieren.

Auf Sangalaki selbst viel uns auf, dass an großen Teilen des Strandes Treibholz in Form von z.T. massiven Stämmen den Schildkröten den Zugang zu den Nistplätzen erschwert.(Fotos) Offensichtlich lassen sich die Eiersammler ohne weiteres ihre Beute hierdurch reduzieren. Denn viele Tiere brechen ihren Landgang vorzeitig ab, kehren um und geben die Eier ins Wasser ab. Hier entwickeln sich keine Schlüpflinge.

Inzwischen war die Nachricht eingetroffen, dass bis Ende 2000 ein weiteres Mal die Sammelkonzession vergeben werden sollte – im übrigen an denselben Unternehmer wie in den letzten Jahren.

Als verbliebene Chance für eine Verbesserung der Situation der Schildkröten wurde folgendes diskutiert: Der Konzessionsvertrag schreibt vor, dass 10% der Eier zu schonen sind, d.h. pro Jahr mindestens 300.000 für die Inselgruppe, deren Hauptanteil an Gelegen Sangalaki ausmacht. Würde man den zu schützenden Prozentsatz der Insel Sangalaki zuordnen, so wären es hier etwa 17% aller Nester.

Erste Rücksprachen mit Wissenschaftlern ergaben, dass dies eine Anzahl ist, für deren Schutz sich auch biostatistisch einzusetzen lohnt. Darüber hinaus könnten bei effektiver Sicherung der Schutzzone hier auch die dringend benötigten Studien zur Altersstruktur der

Meeresschildkröten von Sangalaki durchgeführt werden. Sodann wäre eine wichtige Argumentationshilfe zur Hand, mit deren Hilfe den Behauptungen bestimmter Kreise entgegengetreten werden könnte, es wären ja genug Schildkröten und Eier in der Region vorhanden und von einer Bedrohung könne keine Rede sein.

Der Schutz einer 17%-Zone, so zeichnet sich ab, könnte unter Umständen schon bald beginnen. Wurde bislang die 10%-Schonungsquote bislang noch nie kontrolliert (und wahrscheinlich nie eingehalten), so ist durch den Druck von Artenschützern aus dem In- und Ausland zumindest in dieser Hinsicht eine neue Situation entstanden. Schon in nächster Zukunft könnten Vereinbarungen mit den zuständigen regionalen Behörden sowie mit dem Eierkonzessionär getroffen werden, die die Handhabung der Schutzzone regeln. Die ebenfalls sehr interessierte Tauchbasis der „Borneo Divers“ auf Sangalaki, hat als ökologisch gut geführter Betrieb bereits eine größtmögliche Unterstützung zugesichert.

Für die „Schildkrötenstiftung“ ist eine Unterstützung solcher Initiativen denkbar, sofern die Kontrolle einer Schutzzone und die Effektivität des permanent anwesenden Forschungs- und Sicherungspersonals gegeben sind. Erste Vorbereitungen sind angelaufen. Die erfolgreiche Einrichtung einer 17%-Zone könnte den „Fuß in der Tür“ bedeuten, hinter der das Ziel eines umfassenden Schutzes der Meeresschildkröten in dieser Region zu sehen ist. Ein Zögern zur falschen Zeit könnte der Population auf Sangalaki womöglich den Todesstoß versetzen.
 
Wie wichtig tatsächlich ein geschützter Strand ist, das zeigte sich bei Besuchen auf der Nachbarinsel Derawan. Dort mussten die Besucher der „Schildkrötenstiftung“ mit ansehen, wie unzulängliche Versuche aussehen, Meeresschildkröten zu retten. Das dortige Tauchressort und eine Privatperson halten in Holzbecken Schlüpflinge, die ab einer bestimmten Größe ins Meer entlassen werden sollen. Bei dem privaten „Züchter“ entdeckten wir eine Reihe von Tieren, deren Gliedmaßen z.T. massiv verstümmelt waren. Durch Infektionen und Bisse waren auch die Ränder der Panzer stark betroffen. (Fotos)

Wenig später wurde es noch grausiger. In einem Plastiksack fanden sich am Strand zwei tote, verstümmelte Echte Karettschildkröten (Hawksbill/ Eretmochelys imbricata). Die Panzeroberfläche war nahezu weiß: das Schildpatt, noch immer eine begehrte Handelsware, war entfernt worden. Zumeist geschieht das, indem den Tieren bei lebendigem Leib heißes Wasser über den Panzer gegossen wird. Unsere Begleiter vermuteten, dass die Tiere in ein Fischernetz geraten waren. Nach der Entfernung des Schildpatts hatte man sie dann über Bord geworfen.

Spendenkonto

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VRB Oberhaching-Wolfratshausen

Kto. 3201015

BLZ 70166486

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