by Michael Goldschmidt 4.03
Tauchen mit anderen Atemgasen als der gewohnten Pressluft scheint nur etwas für Spezialisten zu sein, die als Tech – Diver große Tiefen aufsuchen
möchten oder Höhlensysteme erkunden. Aber weit gefehlt. Nitrox heißt ein Zauberwort, das seit ein paar Jahren durch die Szene geistert und das für nichts anderes steht als tauchen mit höherem Sauerstoffanteil. Statt dem
in normaler Luft enthaltenem Sauerstoffanteil von 21% werden Mischungen von 32% oder 36% angeboten. Der Vorteil sind deutlich verlängerte Nullzeiten und nach dem Tauchgang fühlt man sich nicht so müde wie bei Verwendung
normaler Pressluft. Der Nachteil: Tiefenstiere können mit Nitrox allein nicht tauchen und (nur) in Deutschland muss man sich Atemregler und Flasche exklusiv für den Nitroxeinsatz beschaffen.
Was liegt
näher, als im Urlaub auch ein wenig an seiner persönlichen Tauchausbildung zu feilen, stehen entsprechende Weiterbildungsangebote zur Verfügung. Stellvertretend für diese Idee nutzte die Redaktion UnterWasserWelt die
Gelegenheit eines Produktionsaufenthalts auf den Malediven, der Insel Machchafushi, um im Team einen Nitroxkurs zu belegen. Nachdem jetzt alle Maledivenbasen, die unter der Leitung des Reiseveranstalters Sub Aqua
stehen, Nitroxtauchen zum gleichen Preis anbieten wie für gewöhnliche Pressluftatmer, ist die Zeit gekommen sich von den Vorzügen dieser Atemgasmischung zu überzeugen.
Der Lehrgang vor Ort wird nach den
Richtlinien des international tätigen „Nitrox & Rebreather College“ durchgeführt, dauert zwei Nachmittage und wird mit einer Abschlussprüfung abgerundet, deren Bestehen für den Erhalt des Brevets notwendig
ist. Dieses Brevet wird dann bei allen Organisationen und Basen anerkannt. Doch bis es soweit kommt muss erst einmal die Schulbank gedrückt werden. Aber keine Angst, wer seine theoretischen Prüfungen auf dem Weg zum
zertifizierten Taucher nicht nur hemmungslos abgeschrieben hat, der wird auch hier nicht scheitern.
Die Idee den Sauerstoffanteil im Atemgas der Taucher zu erhöhen ist nicht neu, bereits vor gut 50 Jahren begann
damit die US Navy, allerdings mit der Absicht den Anteil von 100% Sauerstoff in militärisch verwendeten Kreislaufgeräten zu reduzieren und damit größere Tauchtiefen zu erreichen. Erst danach wurden die mit Sauerstoff
angereichten Atemgase auch in offenen System verwendet. In den 70er Jahren begann dann die NOAA sich mit der Thematik zu beschäftigen, die nach und nach auch für Sporttaucher zugänglich wurde. Eine der
schwierigsten Hürden bei der Verbreitung von Nitrox war sicherlich die Frage der einfachen Herstellung des Gemisches und dessen unkomplizierte Analyse.
Während vor noch nicht allzu langer Zeit die Mischungen
noch „per Hand“, durch genau dosiertes Überströmen reinen Sauerstoffs in mit Pressluft teilbefüllten Tauchflaschen hergestellt wurde und teure Analysegeräte das Resultat offenbarten, geht das heute wesentlich
einfacher. Moderne Kompressoren mit Nitroxtechnik ausgestattet, befüllen die Flaschen automatisch mit dem vorgewählten Gemisch von 32% oder 36%. Kontrolliert wird das Gemisch dann vom Taucher mit Hilfe eines kleinen
mobilen Durchfluss – Analysegeräts, wird der Tank in der Basis abgeholt und für den Einsatz vorbereitet.
Die Gemische Nitrox 32 und Nitrox 36 (NOAA I und NOAA II) sind mittlerweile standardisiert und bedeuten,
dass statt 21% jetzt 32% oder 36% Sauerstoffanteil im Atemgas enthalten sind.
Man könnte theoretisch auch alle Gemische von 22% bis 40% herstellen und damit auch tauchen, doch hat sich rechnerisch wie auch empirisch
gezeigt, dass die beiden Standardgemische die beste Ausgangslage zwischen Vor- und eventueller Nachteile bieten.
Wenn Eingangs schon der Nachteil einer klaren Tiefenbegrenzung beim Einsatz von Nitrox angesprochen
wurde, fassen wir es jetzt in Worte: Mit Nitrox 32 darf man maximal 33,7 Meter tief tauchen, bei Nitrox 36 sind es 28,8 Meter (vorausgesetzt der Sauerstoffpartialdruck soll den im Sporttauchen gesetzten
Maximalwert von 1,4 bar nicht übersteigen).
Doch mit diesen Tiefen lässt es sich weltweit sehr komfortabel leben, wird doch aus Sicherheitsgründen immer häufiger die maximal zulässige Tauchtiefe von Seiten der
Behörden auf 30 Meter begrenzt.
Was bringt Nitrox nun an wirklichen Vorteilen? Ganz klar ist die geringere Menge Stickstoff, die im Blut in Lösung übergeht ein deutliches Sicherheitsplus. Verzichtet man auf die
Tauchganggestaltung nach den Werten, die Nitrox ermöglicht, also deutlich verlängerte Nullzeiten, und taucht man weiter nach normalen Lufttabellen (normaler Tauchcomputer) ist man deutlich auf der sicheren Seite. Aber
auch bei Ausnutzung der verlängerten Nullzeiten und Einsatz eines Tauchcomputers, der die reduzierte Stickstoffsättigung sowie die zusätzliche Sauerstoffsättigung berechnet, ist man deutlich weniger gefährdet die
Nullzeit zu überschreiten, hat man sich nicht mit besonders großen Flaschenpaketen auf den Weg gemacht.
Neu ist auf jedem Fall die Sauerstoffsättigung des Körpers im Auge zu behalten. Wird der hierfür vorgegebene
Partialdruck von 1,4 bar überschritten (möglich wäre auch 1,6 bar für sich persönlich zugrunde zu legen – militärisch reizt man die Sättigung bis 2 bar aus) sind Symptome einer Sauerstoffvergiftung möglich, die
entgegen verschiedentlich geäußerter Meinung ohne spürbare Warnzeichen eintritt und zu einer Lähmung der Gesichtsmuskulatur führt, weshalb man dann den Atemregler nicht mehr im Mund halten kann. Aber bevor das passiert
muss man schon das Thema Non Limit Tauchen all zu wörtlich genommen haben, obwohl – ein weiterer objektiv feststellbarer Vorteil ist das Empfinden nach Tauchgängen mit Nitrox wesentlich frischer aus dem Wasser zu
kommen als bei herkömmlicher Pressluft. Der geringere Stickstoffanteil im Blut hängt damit auf jedem Fall zusammen.
Eine weitere gute Nachricht ist auch, dass die Atemregler und Ventile, die international vertrieben
werden, für die Verwendung von Atemgasen mit bis zu 40% Sauerstoffanteil zulässig sind (Ausnahme bestimmte Atemregler mit Titanbauteilen, diese sind aber entsprechend gekennzeichnet oder beschrieben). Damit kann man mit
seiner normalen Ausrüstung international problemlos mit Nitrox tauchen!
Nun, die Vorsicht gegenüber höherer Sauerstoffanteile ist gerechtfertigt, darf aber wie in Deutschland nicht zur Hysterie führen. Bestimmte
Kunststoffe und Fette können im Zusammenspiel mit hohen Sauerstoffkonzentrationen brennbare oder explosive Gase bilden - aber nicht bei Sauerstoffanteilen von maximal 40% wobei üblicherweise beim Tauchen mit Nitrox nur
32% oder 36% verwendet werden. Aber in Deutschland – und das ist eine besonders ärgerliche
Ausnahmesituation – wird jeder Sauerstoffanteil über 21% wie 100% behandelt und so dürfen deshalb den Normen und Richtlinien entsprechend auch nur die dafür geforderten Ventile und Atemregler verwendet werden. Aus
diesem Grund bekommt man in seine normale Pressluftflasche, auch wenn sie den geforderten großen Aufkleber NITROX aufweist, keine sauerstoffangereicherte Luft gefüllt. Und – wo kaum ein Markt, da ist auch kaum eine
flächendeckende Infrastruktur zu finden, die Nitroxfüllungen – natürlich zum Extrapreis – anbietet.
Aber um diese Vorteile wenigstens international ungestört nutzen zu können, ist das Nitrox –
Brevet Voraussetzung. Dieses Brevet kann in zwei Stufen erworben werden, doch es macht Sinn sich beide Nachmittage dafür Zeit zu nehmen, dann kann man „hemmungslos“ Nitrox nutzen. Ansonsten – nur mit Level
1 – darf man Nitrox tauchen aber nur nach den Lufttabellen.
In der Theorie wird man leicht verständlich mit Partialdrücken, Dekokrankheiten, geschichtlicher Entwicklung von Nitrox, der Wirkung von Sauerstoff, Partialdruckberechnungen, Ermittlung maximaler
Tauchtiefen und bester Gemische konfrontiert. Kugelschreiber und Taschenrechner bringen einen da voran, unterstützt durch das NRC Nitrox – Workbook.
Ist man da durch, gibt’s die Praxis im Lager der
Nitroxflaschen.
Da stehen sie nun die Alu – 12er mit den Nitrox – Aufklebern und den Anhängern am Flaschenhals. Anders als bei Pressluft kann man sicht nicht schnell einen Tank greifen, kurz den Druck prüfen
und ab geht’s. Hier ist erst mal Prüf- und Schreibarbeit gefordert. Im Team geht das am besten. Sascha misst und Marion schreibt.
Zunächst wird der Flaschendruck geprüft, dann der Sauerstoffanteil. Hierfür wird ein
Durchflussmessgerät, das auf 20,9% Sauerstoff geeicht ist, an das leicht geöffnete Ventil gehalten. Bei Nitrox 32 muss bestenfalls ein Wert von 32% angezeigt werden, etwas mehr oder ein wenig weniger ist auch noch im
Rahmen.
Hat die Flasche zu wenig Druck (unter 200 bar) oder ist der Sauerstoffanteil außerhalb der Toleranz, wird sie nicht benutzt.
Alle gemessenen Werte werden in ein Füllbuch eingetragen, zusammen mit dem Messdatum
und/oder Einsatzdatum. Ähnliche Einträge gibt es dann auch im Anhänger am Flaschenhals. Diese Vorbereitung macht durchaus Sinn, Vertrauen ist zwar gut aber Kontrolle in diesem Fall aber wesentlich besser.
Nach ein paar
Mal geht der Vorbereitungsakt ohnehin in Fleisch und Blut über und so ein bisschen Zeremonie vor dem Tauchgang wertet den Sprung in die Tiefe ja auch irgendwie auf...
Jedenfalls kam es, wie es kommen musste, nach
zwei Nachmittagen Theorie und Praxis konnte Jürgen Schrön von der Sub Aqua Tauchbasis auf Machchafushi nicht anders, die vorläufigen Brevets wurden uns ausgehändigt – UnterWasserWelt ist nitroxtauglich! Ab jetzt geht
es weltweit nur noch mit Nitrox ins Wasser. Mal sehen, wann Deutschland da endlich mal aufwacht...