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Wracktauchen in der Ostsee

by Michael Becker, Fotos Gerald Röhrbein 1.01

Wracktauchen in der westlichen Ostsee - Fahrtbericht

Wracktauchen - endlich mal etwas anderes sehen als immer wieder nur die gleichen Einstiege im Baggersee. Nur: Wir hatten nur am Wochenende Zeit. Wohin und mit wem? Tolle Wracks liegen vor der Küste der Bretagne - das ist ziemlich weit weg, und wenn wir dort ankommen, ist bestimmt gerade nicht Stillwasser zwischen den Tiden und die Wracks werden nicht angefahren. Mittelmeer - Cote d'Azur fällt aus - sehr weit weg! Im Bodensee liegt u. a. die "Jura" - nichts für unsere Anfänger! Also fiel unsere Wahl auf die Ostsee, die seit Jahrhunderten ein vielbefahrenes Binnenmeer ist, und wo viele Schiffe fahren, gibt es auch viele Schiffsunfälle, bei denen oft mindestens einer der Beteiligten sinkt. Nächste Fragen: Welches Seegebiet, welches Schiff, welche Wracks?

Wir stießen bei unserer Recherche auf den Verein "Fördetaucher" in Schleswig-Holstein. Dieser Verein hat seit Januar 2000 ein früheres Boot der Wasserschutzpolizei, Stahl mit Aluminiumaufbau, einem wirklich geräumigen Achterdeck für Taucher und behauptet, dass die Skipper die Wracktauchplätze nicht suchen, sondern einfach hinfahren, finden, Anker fallen lassen und schon kann getaucht werden. Da waren wir skeptisch, denn wir kennen auch andere Tauchschiffe in der Ostsee, die eine Stunde lang Kreise fahren und schließlich die Markierungsboje auf einer endlosen Schlammwüste ohne Wrack in 100 m Umkreis absetzen! Aber wir telefonierten mit Joachim, dem 1. Vorsitzenden des Vereins, der auch das Schiff meist selbst fährt, und er bestätigte uns noch einmal, dass es wirklich so ist, weil die Fördetaucher jedes Wrack genau eingemessen haben und ihr Differential-GPS eine Genauigkeit von 3 Meter hat. Gesagt, getan, wir nahmen das Angebot an!

Wir wollten unter anderem zum Wrack der "Inger Klit", weil wir einige weniger erfahrene Taucher in der Gruppe hatten und uns erzählt wurde, dass der schönste Teil dieses aufrecht stehenden Wracks nur Tauchtiefen von 16 - 20 Meter erfordert. Der Skipper bestellte uns nach Bockholmwik, einen privaten Hafen in der Flensburger Außenförde. Pünktlich lag das Schiff, das seinen Stammplatz in Flensburg hat, am langen Schwimmsteg. Die Ausrüstung war schnell und sicher verstaut, wir machten das Equipment für den ersten Tauchgang gleich auf dem Steg fertig (schließlich hieß es ja Hinfahren - Finden - Ankern - Tauchen) und legten ab. Die Ostsee zeigte sich mit einer Wellenhöhe von etwa 0,5 Meter Höhe von vorn - kaum zu merken an Bord. Der Rumpf der "Taucher" (die heißt wirklich so, weil der Verein noch einen Sponsor sucht, dessen Name dann vorangestellt werden soll!) ist schlank und schnittig und das Schiff hat Gewicht, ist schließlich kein Plastikschiff.

Es war reichlich Bewegungsraum für unsere 8-köpfige Gruppe, es gab frischen Kaffee sowie diverse kalte Getränke, für die eine Spende in das Sammelschiff der

Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger erbeten wurde. Gern gab der Skipper allen Interessierten Auskunft über die Interpretation des Farbechographen, des GPS und des Radarbildes sowie der Fahrregeln auf  See, die an diesem Tag von vielen Motor- und Segelbooten ziemlich voll war. Die "Taucher" hat eine für diese Schiffsgröße nahezu perfekte elektronische Ausstattung, sogar Lampen können geladen werden. Zehn Minuten vor der geplanten Ankunft am Wrack teilte der Skipper uns Nebenrollen zu: Wer wirft beim Hornsignal die Markierungsboje, wer bringt den Anker aus.

Alle starrten gebannt auf den Echographen, als das Schiff plötzlich langsamer wurde. Der GPS zeigte "Null", im gleichen Moment erhob sich ein roter Hügel auf dem Bildschirm, Hornsignal, Grundgewicht weg - Volltreffer auf dem Achterdeck des Wracks, wie wir später feststellten! Das Schiff fuhr einen Vollkreis, dann ging der Anker über Bord, das Schiff sackte rückwärts und schon lagen wir fest direkt neben der Boje. Fünf Minuten später waren die ersten von uns im Wasser.

Wir waren gut auf diesen ersten Tauchgang an dem Wrack vorbereitet: Zwei aus unserer Gruppe hatten den Wrackführer Ostsee dabei, Joachim als Skipper hatte eine Handskizze gefertigt und da er auch Tauchlehrer ist, gleich entsprechende Hinweise auf das Tauchgangsprofil, besonders bemerkenswerte Stellen sowie mögliche Gefahrenpunkte gegeben. Sogar die Sprungschicht wurde vom Echographen angezeigt, und so wussten wir schon vorher, wo uns das kalte Wasser erwartete.

Nachdem alle wieder an Bord waren, allgemeine Zustimmung: Super Wrack, zwischen 5 und 10 m Sichtweite, toller Bewuchs mit riesigen Seenelken, Dorsche und diverse kleine Fische, Boje lag perfekt, alle Anfänger hatten ihren ersten erfolgreichen Wracktauchgang hinter sich. Leichte Strömung am Grund und an der Oberfläche, aber in der Tiefe hatte sie Vorteile (einige modderten doch etwas im Schlamm, kurz danach war die Sicht wieder gut) und am Schiff war eine 30 Meter lange Schwimmleine als Strömungsleine ausgebracht. Die Tauchleiter hängt übrigens bei der "Taucher" nicht am Heck, wie wir das von Safaribooten im Roten Meer kannten, sondern in der Schiffsmitte, und das ist eigentlich auch logisch: Die Heckleiter geht in der Welle rauf und runter, die Leiter in der Mitte liegt ruhig im Drehpunkt des Schiffes.

Während der Oberflächenpause überlegten wir: Noch ein anderes Wrack oder hier noch mal tauchen? Wir entschieden uns für einen zweiten Tauchgang am gleichen Wrack, denn die Anfänger wollten zum ersten Mal die Brücke (gefahrlos!) betauchen und einige erfahrene Taucher wollten das Wrackinnere erkunden. Dazu gab Joachim ihnen, weil keiner ein Reel mithatte, Leinen ausreichender Länge mit.

Alle hatten an diesem Wrack einen tollen zweiten Tauchgang: Die Anfänger fühlten sich als Kapitän, als sie gut austariert durch die Brückenfenster schauten, die "Profis" unter uns legten eine Leinenverbindung durch den Gang auf dem Unterdeck und schauten nach, wo damals gekocht wurde und der Kapitän schlief.

Dann kam eine Übung, für die unsere etwas ausgekühlten Nasstaucher ausgeguckt wurden: Anker und Boje einholen. Kein Problem, obwohl der Anker sich tief in den Schlamm eingegraben hatte, und die Jungs waren anschließend warm! Zurück ging es in den Hafen - ausladen - im Auto verstauen - und für die Hungrigen unter uns schließlich noch der Tipp mit Wegbeschreibung zu einem genial guten Griechen in Flensburg.

Fazit

Die Fördetaucher machen keine leeren Versprechungen, sondern halten ein, was auf ihrer Website steht, die Tagesfahrt war rundum topp!  Wir kommen wieder, vielleicht schon im Winter, denn dieses Schiff liegt anders als andere nicht an Land herum, wenn das Wasser klar ist, sondern fährt zum Tauchen! Auf jeden Fall buchen wir beim nächsten Mal ein Wochenende, um noch mehr von den Wracks in der Ostsee zu sehen! Joachim kennt einige preiswerte Unterkünfte, die taucherfreundlich sind und ein super Frühstück servieren, außerdem füllt er die Flaschen über Nacht für den nächsten Tag ohne Nachtzuschlag.

Und da wir ein CMAS-assoziierter Verein sind und für die Gold-Prüfung das Sonderbrevet "Sicherheit und Rettung" sowie ein weiteres Sonderbrevet Pflicht sind, werden wir auch die Kursangebote von Bord, die Joachim anbietet, wahrnehmen: Brevet "Sicherheit und Rettung" u. a. mit Bergung eines Tauchers auf ein Schiff und "Wracktauchen" ohnehin.

Kontakt: Joachim Warner
Tel.:  04308 - 18 39 90 oder 0172 - 21 90 129
Fax: 04308 - 18 39 91
eMail: foerdetauchen@t-online.de 
Web: www.Ostsee-wracktauchen.de