Cornelia & Frank Wieland 4.15
Frühsommer unter Wasser, wie er ehemals war, können wir scheinbar nur noch an geschützt liegenden, vom Gewässernetz abgetrennten Seen beobachten, so zum
Beispiel in der Luise in Häslich-Bischheim oder im Haustein zu Obersteina. Der Klimawandel hat seins dazu getan, dass sich die langjährig gewohnten guten Bedingungen der Frühsommerzeit nur noch kurz zeigen und dann von
massiven Schlechtwetterlagen mit anhaltendem Starkregen und Hochwasser abgelöst werden. Cornelia und Frank Wieland besuchten zwei Seen mit relativ guter Garantie, für erlebnisreiche Schnorcheltouren.
Nach dem langen Winter hat die Natur viel aufzuholen. In kürzester Zeit blüht alles farbenprächtig an den Granitseen. Zierliche Glockenblumen, gelber Ginster, die Dolden der Lupinen und das prächtige
Johanniskraut neigen sich über das Wasser. Regelmäßig öffnen sich die Seerosen bei Tageslicht und schließen ihre Blüten in der Abenddämmerung. Tiefrot glänzen die spiraligen Stängel und glatten Blätter besonderer
Seerosenhybriden, die den Lausitzer Winter schon viele Jahre aushalten.
Im See tobt das Leben. Die Fische haben spät gelaicht und Ende Juni gibt es noch jede Menge von winzigen Fischlein, die kaum zwei Zentimeter
groß sind. Für sie ist es noch viel zu riskant, bei Tageslicht nach den Wasserflöhen des Freiwassers zu jagen. Gern verbergen sie sich deshalb tief in halb im Wasser stehenden Weidenbüschen. Diese Weiden wuchern
besonders dicht und vor allem ihr Wurzelwerk ist für größere Fische fast undurchdringlich. Offenbar vermögen die Weiden mehr Schutz zu bieten als das ebenfalls vorhandene Röhricht. Die Weiden haben neben ihrer
Verankerung im Boden auch weiße, zierliche Wasserwurzeln ausgebildet.
Ungeheure Schwärme von Amphibien schwänzeln in Form von anfänglich etwas kopflos wirkenden Kaulquappen durch die Seen. Dicht unter der
Wasseroberfläche können wir Taucher uns beinahe in die Schwärme mischen. Den zukünftigen Fröschen und Kröten wachsen binnen einer Woche Hinterbeine, bald auch Vorderbeine. Das Abwerfen des Ruderschwanzes und das
Abwandern an Land stehen bevor. Während der rapiden Entwicklung hin zu Frosch oder Kröte sind die Amphibien durch die Fische sehr dezimiert worden. Auf die harte Tour haben die Kaulquappen viel von der Gefährlichkeit
der natürlichen Welt erfahren. Kurz vor ihrem Exodus ins Umland wuseln sie längst nicht mehr als naiv-sorglose Schwärme durch das Freiwasser, sondern haben gelernt, sich in schmalen, Fischen nicht zugänglichen
Felsspalten zu verbergen.
Zwischen versunkenen Birkenstämmen und rasch aufgeschossenen Tausendblattpflanzen stehen die Hechte und Barsche. Auch die Barsche waren jahreszeitlich spät dran; wie die zwei bis drei Meter
tief hängenden letzten Barschlaichbänder beweisen. Noch immer bewegen sich darin künftige Fischlein im „Augenpunkt-Stadium“. Ende Juni finden wir noch immer Zander, die ausdauernd ihr Nest bewachen und alle
anderen Fische wegscheuchen. Wir können von Tag zu Tag mitverfolgen, wie der See wärmer wird, wie unsichtbar die Fischlarven schlüpfen mögen und das „Dienst schieben“ am Nest laxer und laxer wird.
Bald sind die
Zander wieder in dunklere Tiefen verschwunden. Doch ihr Werk, kleine, weitgehend freigeräumte kreisrunde Plätze inmitten dichter Tausendblattwiesen, bleibt bestehen. Die einstigen Zandernester im flachen Wasser, welche
die lichtscheuen Zander allein wegen der im Vergleich zur Tiefe höheren Temperatur aufsuchten, werden von Hechten übernommen und fungieren nun als „Hochstand und Ansitz“ der Hechte. Hechte bauen und räumen nichts,
aber einen guten Lauerplatz erkennen sie sofort.
Und auch wir Taucher lernen nie aus. Die wieder in die Tiefe zurückgekehrten Zander sind mitunter tief unter uns in der absoluten Draufsicht nur als schmaler,
spindelförmige Schatten am Seegrund zu sehen. Man kennt den Umriss und ist sich sicher: Zander! Doch manchmal, wenn wir uns solchen „schwarzen Spindeln“ nähern und das Bild beim Abtauchen mehr zur
Seitenansicht wird, kann sich „die schwarze Spindel“ auch als scheuer Blei entpuppen. Das war uns sonst nie aufgefallen, dass junge Zander und mittelgroße Bleie in der Draufsicht so ähnlich sind.
Unsere
einheimischen Karpfen aller „Bauformen“ vom Schuppen- bis zum Spiegelkarpfen können im kalten europäischen Süßwasser normalerweise nicht laichen. Doch die rasch ansteigende Wassertemperatur der oberen
Wasserschicht hat den gemütlichen Gesellen offenbar auch so etwas wie Frühlingsgefühle beschert. Zwei Karpfen fühlen sich besonders von einer „exotischen Schönheit“ angezogen. Aufgeregt umschwimmen, ja umtanzen
sie beinahe sie einen orangefarbenen, wohl 40 cm langen Koi. Mal ist der eine Karpfen an seiner Seite, mal der andere. Sie können davon nicht lassen. Mehrere Tage lang sehen wir diese „schwarz-bunte Menage a
trois“ in immer derselben stillen Bucht mit viel Altholz durch das Seewasser ziehen.
Ganz anders als die agilen Karpfen verhalten sich pfannengroße, sehr hochrückige Karauschen. Die stehen und ziehen konstant
als Paar immer dicht beieinander durch den See, nehmen beinahe synchron Partikel von der Wasseroberfläche auf und vermeiden alle hektischen Bewegungen, und auch jedes „Hintereinander herjagen und Dranbleiben
müssen“. Sozusagen ein abgeklärtes, vernünftiges Paar, welches durch das dichte Seite-an-Seite-Beisammensein auch ein zu großes Volumen für die meisten Raubfischangriffe darstellt.
Wenngleich die Dynamik der
Tierwelt im See das auffälligste Element der Naturbeobachtungen ist, gibt es auch die kleinen feinen Details, die vielleicht am meisten den Makrofotografen auffallen. Da sind die winzigen, rötlichen Blüten des
Tausendblattes, die langsam der Wasseroberfläche entgegenstreben. Da gibt es silbern glänzende, perlenartig glitzernde Flächen über Granit, die sich als Wassermoosflächen mit Hunderten kleinen Gasbläschen
präsentieren.
Außerdem fallen beinahe spiegelnde Flächen im Altholz auf, die sich als versunkene Birkenzweige mit frischen, auf der Unterseite silbrig reflektierenden Blättern erweisen. Dicht vor Schilf und
Tausendblattwiesen wächst wie jedes Jahr der filigrane Hahnenfuß und blüht schneeweiß mit winzigen Blüten, die entfernte Ähnlichkeit mit den Gänseblümchen haben. Über den hellgrünen Wasserpestbulten stehen in diesen
Tagen lange weiße Stängel, die eine silberne Gasblase fest zu halten scheinen. Doch diese Blase haftet nicht am Stängel, sie hakt sich fest an der winzig kleinen, wie eine lila Orchidee wirkenden Wasserpestblüte. Bei
dieser ist wirklich ein gutes Auge nötig, denn die erstaunlich geformte Blüte selbst ist wohl nur 1-2 mm groß. An den Althölzern beginnen in diesen Tagen die verschiedenen Schleimalgenvorhänge zu wachsen, die im
Hochsommer ihre volle Größe erreichen und erst garniert mit Herbstlaub vollendet schön sein werden.
Unsere einheimischen Seen bieten immer wieder Überraschungen neben Bekanntem, gern Gesehenem aus dem Kreislauf der
Natur. Das Süßwasserjahr hat begonnen, gehen Sie auf Entdeckungsreise in den Aqua-Kosmos des naheliegenden Unbekannten.
Basis:
Infos zum Tauchen rund um Steina in
der Westlausitz: www.tauchschule-dresden.de
Literatur:
„Tauchreiseführer Deutschland:
Berlin, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen“, DELIUS KLASING Verlag, ISBN 3-89594-070-4, bestellbar bei falk.wieland@t-online.de