UWW ab 12.08
LESER - FEEDBACK
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Info: Die MY Nile Sat II wird häufig von Gruppen
aus Österreich gebucht, sogar der Tauchsportverband Österreichs hatte sich hier 2007 mit einer Gruppe zur Fotosafari eingefunden. Der kurze Text in deren Website im Nachgang lässt leider keinen Raum,
Sicherheitsaspekte zu diskutieren. Direkter Link: www.tsvoe.at/ |
Offener Brief an Fa. Tauchsport-Tauchreisen Lorenc, Wien
Sehr geehrte Fa. Lorenc!
Vom 24.11. bis 1.12.2008 führten wir, eine Gruppe von 14 Tauchern aus Österreich, eine
Tauchreise in den Süden von Ägypten zu den St. Jones Riffen durch, die über Ihr Reisebüro organisiert wurde. Unser Schiff war die „Nile Sat II“. Nach dem Flug nach Marsa Alam ging es noch ca. 3 Stunden mit dem Bus
in Richtung Süden bis Hamata, wo das Schiff auf uns wartete.
Im Rahmen des 1. Briefing wurde uns auch erklärt, dass für Notfälle ausreichend Sauerstoff und 2 Erste-Hilfe-Koffer an Bord vorhanden wären.
Als
Arzt begutachtete ich daraufhin die Notfallausrüstung und musste bestürzt feststellen, dass sich diese Ausrüstung in einem katastrophal schlechten Zustand befand. Abgesehen davon, dass die beiden
„Erste-Hilfe-Koffer“ aus einem kleinen Werkzeugkoffer und einer Plastik-Briefablage mit 4 Schubladen bestand (siehe Fotos), fanden sich darin weitgehend für Erste Hilfe wertlose Medikamente, halb angebrochene
Packungen und leere Blister ohne Tabletten wie auch abgelaufene Medikamente. Notfallmedikamente fehlten vollends. Bis auf 2 Packungen Watte gab es auch kein sinnvolles Verbandsmaterial und auch jene Medikamente, die
gegen Seekrankheit, Schmerzen, Druckausgleichsprobleme usw., welche auf Tauchbooten zumindest üblich sind, fehlten. Nicht einmal eine Pocket-Mask (Beatmungsmaske zur Mund-zu-Mund-Beatmung) war an Bord. Dafür gab es
einen Infusionsbeutel Kochsalzlösung. Der Schönheitsfehler war jedoch, dass sowohl das Infusionsbesteck als auch die Nadel für den venösen Zugang fehlten. Somit könnte man die Infusion höchstens in der Kaffee-Tasse
schlürfen.
Die Spitze der Fahrlässigkeit war aber der für Notfälle notwendige Sauerstoff. Wohl fand sich eine 50 L-Flasche am Eingang in den Salon (im Freien), doch war diese Flasche beinahe leer. Es fanden sich
lediglich 30 Bar Sauerstoff (siehe Fotos), dies entspricht einer Menge von 1.500 L. Die Armatur und deren Anschlüsse an die Flasche waren verrostet und zeigten, dass die Flasche in den letzten Jahren nicht gewechselt
wurde. Auf meine Frage an den Tauchguide, ob wenigstens ein DAN-Beatmungskoffer oder eine andere Sauerstoff-Einrichtung an Bord sei, antwortete dieser, dass für Notfälle nur diese eine Flasche vor dem Salon zur
Verfügung stehe. Beim Funktionstest stellte ich fest, dass das Flowmeter ebenfalls kaputt war, sodass der Sauerstofffluss nur über das Flaschenventil grob steuerbar war.
Aufgrund der verrosteten Anschlüsse
(siehe Foto) konnte ich auch meinen mitgenommenen DAN-Multifunktionsminderer mit dem Demandventil nicht installieren, sodass bei einem Notfall lediglich die schlechteste Variante der Sauerstoffgabe – die konstante
Verabreichung von 15 L über eine Non-Repreather-Maske (Beutelmaske), die nebenbei angemerkt auch noch funktionsuntüchtig, da undicht, war – möglich wäre.
Bei 1.500 L Sauerstoff bedeutet dies bei
funktionsfähiger Beutelmaske bestenfalls eine Versorgung eines Tauchers über lediglich 100 Minuten!!! Bei einer Tauchsafari im tiefsten Süden von Ägypten und einer Entfernung von mindestens 12 Stunden von jedweder
Weiterversorgung kann sich jeder Taucher ausrechnen, dass eine Versorgung einer Deko-Krankheit oder einer Atemgasembolie bei einem Taucher praktisch unmöglich ist (geschweige eine Mitversorgung des Partners).
Meine Frage nach einer zusätzlichen vollen Sauerstoffflasche vor dem Auslaufen aus dem Hafen von Hamata wurde mit dem Hinweis beantwortet, dass die Lieferung nicht sicher sei und mindestens 2 Tage in Anspruch
nehmen würde und wir diese Zeit im Hafen liegen bleiben müssten.
Man kann sich vorstellen mit welch schlechtem Gefühl ich mit der Tauchergruppe loslegte, in der Hoffnung, dass sich kein Tauchunfall ereignen möge.
Eine massive Dekozeitverletzung eines Tauchers konnte ich daher nur mit viel Flüssigkeit, Aspirin, Schonung und Beobachtung bezüglich des Auftretens von Symptomen einer Deko-Krankheit begegnen. Den geringen
Sauerstoffvorrat musste ich für lebensbedrohliche Situationen schonen.
Als Arzt und Tauchmediziner muss ich feststellen, dass die Notfallversorgung auf der „Nile Sat II“ katastrophal und als grob fahrlässig
zu bezeichnen ist. Derart ausgestattete Boote dürften weder für Tauchfahrten und schon gar nicht für Tauchsafaris eingesetzt werden.
Ich fordere Sie als Veranstalter von Tauchreisen und Mieter der Tauchboote
daher auf, im Interesse Ihrer Tauchkunden und in Ihrem eigenen Interesse als seriöses Unternehmen die Sicherheitsausstattungen Ihrer Tauchschiffe kritisch zu kontrollieren und zu verbessern. Für Vorschläge stehe ich als
Taucherarzt ( www.wurzinger.com ) jederzeit gerne zur Verfügung.
Ich empfehle allen Tauchern, sich bei der Buchung einer Tauchreise nach den Notfalleinrichtungen zur Behandlung von Tauchunfällen zu informieren und sich deren Vorhandensein entsprechend dem internationalem Standard auch schriftlich bestätigen zu lassen.
Weiters empfehle ich allen Tauchern, diese Notfallgeräte, (funktionierende Sauerstoffflaschen mit ausreichend viel Sauerstoff, Beatmungsmasken, Notfallkoffer mit Verbandsmaterial usw.) an Bord auch persönlich zeigen zu lassen. Sofern Mängel vorliegen, sollten diese unbedingt an den Reiseveranstalter (wenn möglich auch an den Bootsbesitzer) weiter gemeldet werden (möglichst mit Foto).
In der Hoffnung, damit einen Beitrag für mehr Sicherheit auf Tauchbooten zu leisten, verbleibe ich,
mit freundlichen Grüßen
Dr. Gert Wurzinger
Taucherarzt