by Herbert Frei 6.04
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Sipadans Zukunft – noch ungewiss |
Nur wenige Plätze auf der Welt können sich mit dem Schildkrötenreichtum und Schwarmfischangebot der Insel Sipadan messen. Das Meer um die vor Borneo
gelegene Schildkröteninsel beherbergt nach Meinung von Meeresbiologen mehr als 4000 Arten von Meerestieren. Von hier aus, so die Experten, könnten sogar die Weltmeere besiedelt worden sein. Herbert Frei hat einen
einzigartigen Tauchplatz besucht, aber auch die Probleme vor Ort gesehen, die Tourismus und Terrorismus im allgemeinen mit sich bringen.
Vielleicht erinnern Sie sich noch. Im April des Jahres 2000
wurde Sipadan zum Schauplatz von Aktionen der Rebellen der Abu Sayaf-Gruppe, die in einer Nacht- und Nebelaktion Tauchtouristen auf die philippinische Insel Jolo entführten...darunter auch die deutsche Familie Wallert
– und sie dort monatelang gefangen hielten. Gegen ein in der Höhe unbekanntes Lösegeld wurden die Gekidnappten wieder freigelassen. Seitdem ist zumindest an Land nichts mehr, wie es einmal war. Strandspaziergänge
unter Aufsicht des Militärs gehören zur Inselromantik wie Sonnenauf-und Sonnenuntergang. Wer in diese Gegend reist, muss das in Kauf nehmen — oder zuhause bleiben. Der weltweite Terrorismus, dem man auch in Europa
nicht entgehen kann, ist eine Krake, deren Arme weit reichen und denen man selbst an den einsamsten Stellen in den Weltmeeren begegnen kann. Deshalb gilt: Je mehr Militär der Staat Malaysia in der Celebes-See
stationiert hat, desto unbehelligter taucht man dort. Es besteht also wenig Grund zur Sorge, denn Sipadan ist heute sicherer als je zuvor.
Schildkröten im Dutzend
Weshalb die gepanzerten Weltenbummler die Insel Sipadan so sehr lieben, ist nicht geklärt. Vielleicht liegt es am Sand, in den die Kolosse tiefe Löcher buddeln, um dann die Eier hineingleiten zu lassen. Dabei
geht es wüst zur Sache. Kleine Bäumchen und Buschgras werden weggefetzt und niedergewalzt. Wenn sich eine massige Meeresschildkröte in den Kopf gesetzt hat, hier und sonst nirgendwo zu buddeln, dann lässt sie sich durch
nichts aufhalten. Stur wie ein Panzer gräbt sie ihr Loch. Unbeeindruckt von Fotografen oder Filmern. Das alles geschieht nachts. Im Beisein eines Öko - Rangers kann man das Spektakel beobachten und auch dezent
fotografieren. Blitzlicht stört die Tiere nicht, man sollte es aber nicht übertreiben und ihnen auch nicht mit der Kamera allzu nah auf die Pelle rücken. Nächtliche Spaziergänge um die Insel sind deshalb nicht gern
gesehen, im Alleingang sogar verboten. Zum Wohl der Meeresschildkröten, die diesen Schutz bitter nötig haben.
Die abgelegten Eier werden von den Öko - Rangern wieder ausgebuddelt und in ein eingezäuntes Areal
gebracht, dort wieder eingegraben und das künstliche Nest mit einer Nummer samt Datum versehen. Wenn die Zeit des Ausschlüpfens naht, gräbt ein Mitarbeiter die kleinen Schildkröten aus, legt sie in einen Eimer und
entlässt sie in der Abenddämmerung am Strand in die Freiheit. Auf diese Weise wird vermieden, dass Warane und Seevögel bereits in den ersten Lebensstunden der kleinen Turtels deren Population dezimieren. Trotz dieser
Vorsorge muss man davon ausgehen, dass kaum mehr als ein Promille der Tiere geschlechtsreif wird und selbst Nachkommen produziert. Ob man auf diese Weise der Ausrottung von Meeresschidkröten einen Riegel vorschieben
kann, muss bezweifelt werden, solange Treibnetze die Meere im Würgegriff haben und in halb Asien Turtle - Eier, Fleisch und Panzer im Handel zu kaufen sind. Schildkröten-Schutzprogramme wie in Sipadan praktiziert sind
nötig, sie reichen aber nicht aus. Ebenso sind Spenden, Proteste und gut gemeinte Unterschriftenaktionen nicht falsch, aber weitgehend nutzlos, so lange die asiatischen Regierungen beim Schildkröten - Raubbau mehr oder
weniger wegschauen und den Schutz eher halbherzig bis gar nicht betreiben. Weltweit muss politisch durchgegriffen werden, sonst verpuffen alle Rettungsmaßnahmen. Und man muss den Einheimischen klar machen, dass lebende
Schildkröten zahlungswillige Tauchtouristen anlocken, die mit ihrem Geld den Lebensstandard der Bevölkerung verbessern. (Siehe auch: www.turtlefoundation.de )
Endlose Tiefen
Sipadan ist eine leicht ovale Insel mit
ausgeprägten Korallenriffen, die sich weit um das Eiland ausdehnen. In der Vergangenheit gab es zwischen Malaysia und Indonesien immer mal wieder Streit, zu welchem Staat Sipadan denn letztendlich gehört. Ursache dieses
Streits war die Vermutung, dass es in diesem Gebiet Erdöl geben könnte. Das scheint sich - Gott sei Dank - nicht bewahrheitet zu haben. Insofern scheint dieser Disput beigelegt, denn der Internationale Seegerichtshof
hat in dem langwierigen und verworrenen Verfahren entschieden, dass die Insel zu Malaysia gehört. Endgültig, wie man uns sagte.
Die Faszination Sipadans sind nicht nur die Schildkröten, obwohl man diesen archaischen
Lebewesen als Fotograf nicht oft genug begegnen kann. Beeindruckend sind die fast senkrechten Steilabfälle, die auf eine Tiefe von über 600 m hinabfallen. An einigen Stellen sollen es sogar 1000 m sein. Über einem
solchen Tiefgrund leben selbstverständlich auch viele Schwarm- und Großfische. Hammerhaie, Pferdemakrelen, Mantas und sogar Wale. Es gibt Experten, die Sipadan unter die 5 besten Tauchgebiete der Erde einreihen. Bei
solchen Bewertungen spielen aber sehr viele subjektive Gründe eine Rolle. Als wir während eines Tauchganges neben Haien, Barrakudas und Thunfischen auch eine Krakenhochzeit beobachten konnten, war unser amerikanischer
Tauchpartner Peter sogar der Meinung, dass solches nur auf Sipadan zu sehen sei und er diesen Tauchplatz deshalb als den besten der Welt ansehen muss. Soweit wollen wir nicht gehen, aber auch einem neutralen Beobachter,
der schon viel auf der Welt gesehen hat, drängt sich ein Vergleich auf. Unter die zehn besten Tauchspots - so unser Eindruck - kann man Sipadan immer noch einreihen. Wobei man auch Abstriche machen muss. Fischmäßig ja,
korallenmäßig nein. Stürme, El Nino und sicherlich auch viele Tausend Taucher haben den Korallengürtel rings um Sipadan stellenweise von 0 bis 10 m in eine Korallenschutthalde mit Myriaden von Fischen verwandelt.
Andererseits findet man im Flachbereich (0-5 m) an wenig betauchten Stellen aber auch noch unberührte Korallengärten mit Tischkorallen riesigen Ausmaßes. Tiefer unten (40 m), wo die Strömung gelegentlich zieht und
zerrt, stehen mächtige Gorgonien, Schwarzkorallenbüsche und Schwämme in der blaugrauen Dämmerung.
Über die Sichtweiten mag man sich streiten. Die einen halten sie für gut, die anderen eher für mittelmäßig. Tatsache
ist: Sie sind auf Sipadan in den letzten 15 Jahren kontinuierlich schlechter geworden. An was es letztendlich liegt, vermag keiner zu sagen. Manchmal liegen sie bei 20 oder 25 m, ab und zu aber auch bei weniger als 10
m. Die klimatischen Bedingungen haben sich weltweit ebenso verändert wie die Meeresströmungen. Naturschützer führen die etwas mäßige und teilweise milchige Sicht auf den hohen Urlauberanteil und die Bediensteten
auf der Insel zurück. Etwa 200 Menschen leben ständig auf Sipadan. Eine Kläranlage gibt es nicht. Die Fäkalien rinnen deshalb ungebremst durch den löchrigen Korallensockel ins Meer. Ein Riesenproblem, das kaum in den
Griff zu bekommen ist. Fünf Touristen - Resorts von einstmals 7 oder 8 gibt es noch auf der Insel. Eventuell immer noch zu viele. Deshalb geht das Gerücht um, die Regierung von Malaysia wolle Sipadan eventuell ab 2005
oder 2006 für einige Jahre schließen und nur noch Tauchexkursionen von der Nachbarinsel Mabul aus zulassen. Was daran war ist und was nicht, konnte uns niemand sagen. Für Sipadan - Interessenten könnte es aber zukünftig
eng werden. Also nix wie hin... >>> Lesen Sie hier weiter