UnterWasserWelt - das Onlinemagazin seit 1999
zum aktuellen Magazin UnterWasserWelt

Der smaragdene Fluss

by Robert Wilpernig 5.01

Dies ist die Geschichte von einem geheimnisvollen Fisch. Seine Heimat sind tiefe Schluchten, in die nur selten ein Sonnenstrahl dringt und fast nie ein Blick. Dies ist aber auch eine Geschichte von Krieg und Frieden, von der Begegnung des Menschen mit der Natur, vom Sterben einer Art, und ihrer Auferstehung.

Der Schauplatz ist ein Juwel von einem Fluss, der schönste und wildeste Europas. Es ist der smaragdene Fluss. Dieser Fluss hat zwei Namen. Der eine weiblich und mit weichen slawischen Klang –Soca-. Der andere italienische, männlich und kriegerisch –il sonzo-.

Das Tal der Soca in Slowenien ist ein Naturparadies von atemberaubender Ursprünglichkeit. Die Soca selbst ist eine der letzten ungebändigten Alpenflüsse Europas.

Die Soca mit ihren Nebenflüssen ist aber auch eines der letzten Fischotter-Reviere in den Alpen. Auch ziehen heutzutage noch Braunbären durch das Tal der Soca. Das ist bemerkenswert, denn diese Tiere bevorzugen menschenleere Gegenden. Aber der Fresstrieb nach Fisch ist für Fischotter und Braunbär größer als die Scheu vor dem Menschen.

Wie das Soca - Tal gehören auch die Berge, in die es eingebettet liegt, das Massiv der Julia, zu den wildesten Gegenden der Alpen.

Dieses schroffe Gebirge liegt an der Sonnenseite der Alpen, nicht weit vom Mittelmeer und von der dichtbesiedelten Küstenebene der Adria entfernt. Aber der kahle Karst hat die Menschen immer abgeschreckt und deshalb haben die Natur und ihre Geschöpfe hier ihren Frieden.

Zu früheren Zeiten war das Soca - Tal mit einer der größten Kriegsschauplätze des 1. Weltkrieges. 1915 besetzte Italien österreichisches Gebiet von der Adriaküste bis zu den Alpen. Das stille Soca - Tal im heutigen Slowenien wurde mit einem Schlag zum blutigsten Schlachtfeld des 1. Weltkrieges. Drei Millionen Soldaten marschierten auf und 1 Million Gefallener blieben auf dem Schlachtfeld liegen. An manchen Kriegstagen färbte sich der smaragdene Fluss rot vom Blut der Toten. Auf Grund des Ausbleibens von Proviantversorgung der Truppen wurde der Fluss mit Handgranaten fast leer gefischt.

Irgendwann war auch die letzte Spur des Krieges fortgespült und die Soca floß wieder so rein und klar wie seit Jahrtausenden. Da der Fischbestand der Soca aber gleich null war und die Bewohner des Soca - Tales nicht warten wollten, bis sich der Fischbestand auf natürliche Weise wieder erholen würde, setzten sie Bachforellen aus.

Die einzige Art, die zur damaligen Zeit in Europa verfügbar war. Die Folgen dieses Eingriffes in das Leben dieses Flusses konnten die Fischer damals nicht erahnen. Bachforellen waren in diesem Fluss nicht heimisch, aber es fiel ihnen nicht schwer, sich anzupassen. Bachforellen können in kürzester Zeit einen ganzen Fluss erobern und bis in die kleinsten Zuflüsse und Gebirgsbäche vorstoßen. Aber ihr neuer Lebensraum war kein Niemandsland. Im Soca - Tal hatte sich im Laufe von Millionen von Jahren eine unverwechselbare Tier- und Pflanzenwelt entwickelt. Vor allen Dingen eine Spezies ist und war typisch für diesen Fluss.

Das Dunkel der tiefen Schluchten ist die Domäne der legendären Soca  -Forelle – auch Mamorata - Forelle genannt. Die Begegnung mit den eingesetzten Verwandten, den Bachforellen, wurde verhängnisvoll und führte zu Mischlingen. Reine Mamorata - Forellen wurden erst Jahre später wieder entdeckt, gezüchtet und ausgesetzt, nachdem die Bachforellen und Mischlinge abgefischt worden waren.

Die Mamorata - Forelle ist ein Riese – bis zu 120 cm lang und 25 kg schwer. Sie ist scheu – ein nächtlicher Jäger, der nur im Dunkeln die Schluchten zur Jagd verlässt. In diese Schluchten – im Oberlauf der Soca  - gibt es langsam fließende Abschnitte, die zum Flussaufwärtstauchen einladen. Auch lassen sich dort die Mamorata - Forellen wunderbar beobachten. Aber auch Koppen und Eschen beleben diesen das ganze Jahr über 4 Grad kühlen Fluss. Der Oberlauf der Soca, welcher als einziger Teil des Flusses stellenweise betauchbar ist, liegt im Triglav - Naturschutzgebiet. Campingplätze und Frühstückspensionen sind reichlich vorhanden. Auch gilt die Soca als Geheimtip für den Kajak- und Raftingsport.