by Falk Wieland & Cornelia Beyer 10.08
Neuglobsow am Stechlin wurde dereinst als Glasmacher-Siedlung gegründet; die umliegenden Buchenforste spendeten gutes Brennholz zum Betrieb von Teeröfen, Holzkohle-Meilern und
Glashütten. Lange Zeit wurde am Stechlin und in vergleichbaren Siedlungen „grünes Waldglas“ gemacht, was auch sonst … Der große Stechlin spielte allenfalls in der Sagenwelt eine Rolle, denn der tolle
Fischer-See war er nie. Falk Wieland und Cornelia Beyer berichten vom Stechlin.
Als nährstoffarmer Klarwassersee lieferte der Stechlin über alle Zeiten hinweg edelsten Speisefisch, aber nie „raue
Mengen“. Der See ernährte nur ein, zwei Fischereigehöfte. Ferner wurden in vergangenen Zeiten die reichlich wachsenden Armleuchter-Algen mit wilden Methoden geerntet, um die kärgliche Landwirtschaft auf dem
märkischen Sandboden zu düngen. Und der Stechlin blieb, wie er war, groß, klar, geheimnisvoll, ein magisches Auge inmitten herrlicher Buchenwälder.
Im Buchenwald hinter uns liegt die gastfreundliche Tauchbasis
Stechlin. Ein Fluchtort für Taucher, die inmitten vieler Naturschutzgebiete und Verbote hier dennoch wohnen, grillen, tauchen und ihre Autos abstellen können. Das Gerätetauchen im Stechlin hat eine lange Tradition, die
mindestens bis in die Anfänge des Sporttauchens in den fünfziger Jahren zurückreicht. Die heutige Tauchbasis Stechlin war einst das Domizil des „Tauchsportklubs der DDR“, einer innerhalb der teilweise militärisch
geprägten ostdeutschen Tauchsportszene elitären Vereinigung. In diesem Club trainierten die im sportlichen Sinne Besten, um als National - Mannschaft der DDR im Orientierungstauchen europaweit zu starten.
Berühmt
waren die hiesigen Orientierer - Wettkämpfe unter dem Namen „Stechlinsee - Trophy“. Als Krönung des Orientierungstauchens der ostdeutschen Szene gilt die Weltmeisterschaft am Stechlin vom September 1985, die
überwiegend durch die Teilnahme der Kubaner zu einer Weltmeisterschaft aufgewertet wurde. Trotzdem ein großes sportliches Ereignis, das geradezu Tauchermassen anzog.
Heute ist es am Stechlin wieder so still und
schön, wie schon seit Jahrhunderten. Wir steigen vor der Basis ein, um einen Tauchgang in der Taucherbucht zu unternehmen. Solange wir die Bucht nicht verlassen, schweben wir hier über grüne Teppiche dahin, erreichen
maximal 2-10 Meter Tiefe. Die Unterwasserlandschaft wird geprägt von einen schmalen Schilfzone auf der Fischereiseite der Bucht, und dichten Characeen - Rasen über weite Flächen dese Seebodens. Gleich rechts vom
Einstieg können wir Taucher einen Blick in die Reuse der Fischers werden, die häufig gut und artenreich gefüllt ist.
Im Schilf sehen wir Hechte, Barsche, Plötzen und ungeheure Rotfedernschwärme. Zwischen den
verschieden Armleuchteralgen-Wiesen gibt es natürlich auch „schlammige Täler“ oder puren Sandboden. Es fehlt nicht an handgroßen Muscheln mit anhaftenden Dreissena - Beständen. Am Rande der Pflanzenfelder sind hin
und wieder Aale zu entdecken und große Bleie graben sogar bei Tageslicht ihre Fraßtrichter in den Seeboden. Neben den verschiedensten Armleuchteralgen wachsen auch zahlreiche höhere Wasserpflanzen im Stechlin.
Auffallend und langstänglig wuchert das Spiegelnde Laichkraut, dunkelgrün und kratzig das Raue Hornblatt, aber wir entdecken zudem Wasserpest, Quellmoos, die auch als Wasseraloe bezeichnete Krebsschere, Kammlaichkraut,
Durchwachsenes Laichkraut, Hahnenfuß und Seerosen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen saubere Sandflächen. Hier vermögen wir manchmal den scheuen Steinbeißer zu entdecken. Der ist ein markant gezeichnetes
Grundfischlein, das sich bei Beunruhigung „auf den Kopf“ stellt und in Sekundenbruchteilen eingräbt.
Wenngleich der Stechlin vielerlei Gelegenheit zu Fischbeobachtungen bietet, ist er doch in erster Linie ein
Wasserpflanzen-Paradies. Die grünen Teppiche, Bänke und Wälle sind Einstand für viele Hechte. In den drahtigen, geradezu federnden Armleuchteralgen - Wiesen verbergen sich viele Jungfische, Aale, scheue Schleien und
Ukeleie. Die elastischen Armleuchteralgen sind auch Versteck und Kletterparadies für zahlreiche Amerikanische Flusskrebse.
Manche Flächen des Grundes sind im Flachwasser malerisch schön von den sehr haltbaren
Buchenhölzern geprägt, die immer wieder in den See stürzen und hier eine mystische Landschaft aus versunkenen Knüppeln, aber auch ganzen Bäumen mit Algenvorhängen und Wasserpflanzen-Stillleben modellieren.
Im
Tauchgebiet Stechlin können wir 1200 m weit schwimmen, bis hinüber zur Halbinsel, die gegenüber der Taucherbucht liegt. Wer dies auf Kompasskurs tun würde, erreicht bis zu 37 m Tauchtiefe und hat die (geringe) Chance,
im klaren Tiefenwasser die edelsten Speisefische des Stechlin, die Kleinen Maränen, zu sehen. Doch eine Begegnung mit diesen delikaten Fischen ist im beim Besuch des Fischerei-Gehöftes wahrscheinlicher. Insbesondere
geräucherte Stechlin - Maräne muss man einfach probiert haben. Als Schaustück hat der Fischer auch eine riesengroße Anspielung auf die Sage vom Roten Hahn im Stechlin in seinem Gehöft stehen. Wann immer sich jemand auf
dem See „falsch“ verhält, taucht angeblich der Rote Hahn auf, kräht schauerlich über das Wasser hin und schlägt die Stechlin-Wellen zu Sturm. Soweit die Sage.
Der lange Weg zum anderen Ufer lohnt jedoch auch
als Schwimmtour mit Gerät. Vor der Halbinsel liegt in Schnorcheltiefe eine riesige Buche voller Fisch. Das Tauchgerät mitzuhaben ist dennoch gut, denn am Seehang vor der Halbinsel steht in 15 Meter Tiefe die berühmte
Barschbuche. Ferner ist es empfehlenswert, im Umfeld des Tauchgebietes Halbinsel auf über 20 Meter Tiefe abzutauchen. Hier unten herrscht ein magisch grünes Dämmerlicht und der See wird noch klarer als oben. In dieser
Tiefe sind gewaltige Mergelschollen zu entdecken. In dem weichen, lehmig - federnden Material sind oft armdicke Höhlengänge zu sehen, die von Aalrutten oder Trüschen bewohnt werden.
Mit dem Tauchgerät ist uns
Tauchern leider nur das zugelassene Tauchgebiet zwischen der Bucht vor der Basis und der Halbinsel zugänglich. Dennoch muss man darüber froh sein, kämpfen doch die Tauchbasis Stechlin und der Landestauchsportverband
Brandenburg schon lange einen zähen juristischen Kampf gegen fanatische Umweltschützer, die das Tauchen im Stechlin gänzlich verbieten (lassen) wollen. Deshalb: Bitte tauchen Sie mit Gerät nur im zugelassenen Gebiet.
Die Basis - Crew berät Sie zu allen Details.
Wollen Sie mehr vom Stechlin erleben, so empfehlen wir das Ausleihen eines Kanus und das Umpaddeln aller Stechlin-Ufer. Wer auf dieser Kanutour Schnorchelzeug und
Nassanzug mitführt, kann zumindest an den zugelassenen Badestellen des Stechlinufers phantastische Schnorcheltouren unternehmen, die möglicherweise Tauchgänge in der Taucherbucht in den Schatten stellen. Besonders zu
empfehlen ist hierzu das Kanu-Ziel Nord- oder Sonnenbucht.
Die herrliche Lage des Stechlin und die sehr sehenswerten und erholsamen Buchenwälder ringsum haben vor nunmehr weit über hundert Jahren auch den deutschen
Dichter Theodor Fontane in ihren Bann gezogen. Fontane verewigte den See in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ und ließ zudem die Romanhandlung „Der Stechlin“ (ein Lebensbild eines fiktiven
märkischen Adelsgeschlechtes „von Stechlin“) in dieser Region spielen. Fontanes literarische Verdienste um den See haben dazu geführt, dass eine vor kurzem entdeckte endemische (d. h. allein im Stechlin
vorkommende) Maränen - Art den Dichternamen in ihrer wissenschaftlich - lateinischen Bezeichnung führt. Wohlan, beobachten oder kosten Sie Coregonus fontanae, die Fontane - Maräne.
Die literarische Berühmtheit des
Sees in belesenen Kreisen führte zu Anfang des 20. Jahrhunderts dazu, dass sich erfolgreiche Unternehmer und Künstler aus Berlin am Stechlin Sommerhäuser bauten. Vom Typ „herrschaftliches Guthaus“ über „protzige
Fabrikantenvilla“ bis hin zum Bauhaus-Würfel oder sehr haltbar aussehenden Häusern mit Bauelementen eines gewissen „III.-Reich-Stils“ ist alles vertreten.
Somit macht auch ein Rundgang im Ort Spaß, wo
noch so manches bauliche Kleinod auf den rettenden Investor wartet. In Neuglobsow ist die Zeit dermaßen „stehen geblieben“, dass Sie noch heute im Fontane - Haus, einer gemütlichen Fachwerk - Kneipe, gut essen
können. Hinter dem Haus steht die Fontane - Linde, in deren Schatten der märkische Dichter höchstselbst so manchen Kaffee getrunken haben soll. Gar nicht weit davon gibt es einen „Zeitsprung“ an der Dorfstrasse
und Sie entdecken den heruntergekommenen Lebensmittel - Konsum, noch in Betrieb und doch scheinbar konserviert im „DDR-Endzeit-Zustand“.
Manche der Gebäude im Ort Neuglobsow haben eine spannende Geschichte und
atmen noch im Verfall den Hauch einstiger Größe. Schauen Sie sich etwa das „Haus Hirschberg“ in der Nähe der Basis an. Dieses imposante Haus ließ Anfang des 20. Jahrhunderts der Bremer Großkaufmann Georg Plate
erbauen. Er war Präsident des Norddeutschen Lloyd, Verwaltungsrat der Suezkanal - Gesellschaft und Aufsichtsrat der Deutschen Bank Berlin, in Personalunion. Ein solcher Weltmann erbaute sich ein Gebäude im englischen
Landhausstil, um am Stechlin die Stille zu genießen. Selbiges Haus übernahm ab 1914 Max Degebrodt, der bekannte Knickebein- und Schoko-Fabrikant. Noch ein Stechlin-Liebhaber … Zu DDR-Zeiten diente das „Haus
Hirschberg“ als Urlauberheim und war in der Tauchszene für rauschende Tanzabende berühmt.
Zum Rundgang im Dorf gehört auf jeden Fall auch das verwunschene kleine Kirchlein von Neuglobsow, das wirklich zu
bescheidener Meditation einzuladen scheint.
Nicht weit vom Fontanehaus befindet sich das „Haus Bernadotte“. Die schlossähnliche Villa mit Türmchen ließ sich einst der Rittmeister Michaelis erbauen.
Geschichtsexperten vermuten in dieser Villa die literarische Vorlage für das durch Theodor Fontane frei erfundene „Schloss Stechlin“ des Dubslav von Stechlin. Auch das „Haus Bernadotte“ hatte eine
wechselvolle Geschichte. Ein Berliner Müllabfuhr - Unternehmer ließ „Haus Bernadotte“ einst edel renovieren, um es seiner Tochter Erika als Hochzeitsgeschenk zu vermachen. Die Berlinerin Erika ehelichte Prinz
Siegvard von Bernadotte, den Bruder des damaligen schwedischen Kronprinzen und Vetter des Mainau - Besitzers Graf Lennert Bernadotte. Wie es heißt, war „Haus Bernadotte“ einst Schauplatz niveauvoller Feste, auf
denen Berliner Prominenz einschließlich Heinz Rühmann verkehrte. Der Stechlin hat sie alle verzaubert.
Und so geht es auch uns immer wieder. Es gibt nichts Schöneres, als bei untergehender Sonne am Stechlin durch die
rauschenden Buchenwälder zu spazieren, das Glitzern auf den Kräuselwellen zu sehen, und ganz dem Zauber der märkischen Einsamkeit zu erliegen.
Alle Infos: www.tauchbasis-stechlinsee.de
Karte Tauchzone
www.tauchbasis-stechlinsee.de/index.php
Anfahrt
www.tauchbasis-stechlinsee.de/index.php
Der Stechlin ist im Herbst 2008 der Austragungsort des VDST-Unterwasserfoto-Wettkampfes “Kamera Louis Boutan”.