by Michael Goldschmidt 12.03
Das Mittelmeer gilt als die Wiege des Tauchsports und über Jahrzehnte hatte die Insel Elba hier eine Schlüsselstellung. Kein anderes Tauchgebiet besuchten wir seit 1984 so oft und
intensiv. Die aktuelle Bestandsaufnahme wurde deshalb eine Dokumentation von Veränderungen in vielen Bereichen. Der Blick zurück weckt angenehme Erinnerungen, die Gegenwart bietet Raum für Kritik. Um zukünftig noch
attraktiv und bezahlbar für den Familienurlaub von Tauchsportlern zu bleiben, wird man sich aktuell einiges einfallen lassen müssen.
Denken wir darüber nach, was uns damals zum ersten Mal nach Elba
führte, waren dies drei gute Gründe: Die italienische Lebensart, der Mythos der Insel und die Absicht in einer deutschsprachigen Tauchschule einen lang gehegten Wunsch zu verwirklichen. So taten wir es vielen vor und
nach uns gleich, setzten uns ins Auto, dessen Sprit in Deutschland weniger als die Hälfte des jetzigen Preises kostete und in Italien zur Ankurbelung des Tourismus mit Gutscheinen deutlich subventioniert wurde. Die
Fahrt über Österreichs Autobahnen war kostenlos, Brenner und Fähre schröpften den Urlaubsetat noch nicht so deutlich, Tauchausfahrten waren auch für Familienväter im erschwinglichen Bereich kalkulierbar.
Betriebswirtschaftlich war also alles im Lot. Würde man heute die Kosten / Nutzenrechnung machen, so erfordert dies schon eine gehörige Komponente persönlicher Verbundenheit zu diesem Eiland im Toskanischen Archipel in
die Waagschale zu werfen, um nicht gleich zwei Wochen „All Inklusive“ am Roten Meer oder der Dom. Rep. zu buchen. Zurück zu den Wurzeln könnte man die Liebe zu Elba umschreiben, eine Liebe, die mittlerweile tief
in die Tasche greift und den Stamm der dort urlaubenden Wiederholungstäter immer weiter aushöhlt.
Warum waren wir Wiederholungstäter, die 19 Mal der Insel einen Besuch abstatteten? Wegen der Landschaft, der
Tauchgebiete, den Freunden, dem Wetter? Alle genannten Gründe zählen dazu. Doch haben wir nur in der Vor- oder Nachsaison den Aufenthalt rundum genossen, wer das Pech hat in den Schulferien reisen zu müssen, der hat
seinen Tag gut durchzuplanen, denn Parkplätze sind vielerorts rar wie Trüffel in einem Mondkrater, die bezahlbaren und doch guten Restaurants empfangen nur Gäste mit reservierten Tischen und so mancher kleine Strand
wird neuerdings durch organisierte Liegestuhlvermieter noch kleiner und der Platz an der Sonne kostet dann in vorderster Reihe 20 Euro pro Liege und Tag. Und wer sich wundert, dass mittlerweile die Kosten für
Tauchausfahrten sich dem karibischen Niveau annähern, ohne aber das entsprechende augenschmeichelnde Erlebnis unter Wasser geboten zu bekommen, darf sich bei immer teureren Auflagen der zuständigen Behörden und dem
jahrzehntelangen Raubbau am Meer bedanken. Die deutschsprachigen Basenbetreiber können hier nur mit der geballten Faust in der Hosentasche zuschauen, gegen teils schikanöse Auflagen vermögen sie sich nicht wirkungsvoll
zu wehren. EU hin und EU her, es warten schon genügend einheimische Interessenten darauf eine eingeführte Basis zu übernehmen, deren großzügige Auslegung der Auflagen dann kaum einer amtlichen Kontrolle zu unterliegen
scheint.
Unter Wasser
Verwöhnte Augen, die nach üppig bunten Farben und wabernden Fischschwärmen suchen, werden im Mittelmeer eher selten fündig. Jahrzehnte
lange Überfischung, teilweiser Raubbau mit Dynamit, der Abschuss der letzten Zackenbarsche von Harpunenjägern und die ungeklärte Einleitung der Abwässer in vom Tourismus hoffnungslos überlaufenen küstennahen Regionen
haben ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen. Stellenweise sind die Gorgonien stark dezimiert oder ganz verschwunden, teilweise von braunen Schleimalgen überzogen. Wo einst üppige Fächer roter Lederkorallen ihre
Arme von Steilwänden ins Wasser reckten, markieren deren kümmerliche Reste die ehemalige Pracht. Wenn das noch nicht reicht, auch mit der Killeralge Caulerpa Taxifolia kann gedient werden, deren Präsenz allerdings
heruntergespielt wird, weil nicht sein darf, was ist.
Was Hans Hass in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts noch an Lebensfülle unter Wasser vorfand, ist Geschichte, unwiederbringlich. Heute freut man sich an
Kleinigkeiten, braucht ein wirklich geschultes Auge in der hier und da vorgefundenen Leere etwas zu entdecken, was vom Gefühl ablenkt in einem leeren Seewasseraquarium die Fenster zu putzen.
So strenge Worte ohne die
übliche Verklärung, eine starke Sache, die sicherlich nicht ohne geharnischten Aufschrei vermeintlich Betroffener verklingen wird.
Wir können uns das erlauben, kennen wir das Zielgebiet seit 1984, 19 Aufenthalten und
mehreren 100 Tauchgängen. Es wäre einfach nur eine aktuelle Bestandsaufnahme zu machen, gesponsert durch einen Reiseveranstalter einen goldenen Mittelweg suchend. Wir erlebten die Veränderungen selbst und sind davon
sichtlich betroffen. Und hätte sich nicht in gleichem Verhältnis, in dem die Preise vor Ort jährlich nach oben gingen die Welt unter Wasser ausgedünnt, wäre die Kritik auch nicht so unübersehbar ausgefallen.
Diese
Kritik richtet sich an die Verantwortlichen im Land und der Region, die zuließen, dass eine einst intakte Fauna und Flora ums Überleben kämpft oder ganz den Rückzug angetreten hat. Deren Gewissen wird nur durch
imaginäre Unterwasserparks und Schutzzonen befriedigt, zu denen Tauchsportler bei den Inseln Monte Christo, Gorgona, Pianosa oder Capraia keinen Zugang haben. Mit ein wenig guten Willen und Weitsicht hätte
man auch an den Küsten Elbas eine echte Schutzzone einrichten können, die die im Mittelmeer mögliche typische Schönheit bewahrt und in gut organisierten Tauchausfahrten zugänglich ist. Doch von diesem
Idealzustand sind wir weit entfernt. Eine unvorhersehbare Last für die Tauchgebiete brachten auch die jahrelangen Kriege im ehemaligen Jugoslawien. In diesen Jahren kam eine Vielzahl von zusätzlichen Tauchern hierher,
die zum Teil auf umgebauten Frachtschiffen anreisten und bald in Mengen von 100 und mehr an der gleichen Stelle ins Wasser fielen. Hurghada lässt grüßen.
Natürlich kann man nicht jeden Sporttaucher einer
mangelhaften Ausbildung bezichtigen, aber es gibt doch deutliche Unterschiede. Auch beim letzten Aufenthalt blieben uns einschlägige Negativbeispiele in größerer Menge nicht verborgen. Zwei Höhepunkte aus der
Negativliste: In 15 Metern Tiefe fällt mir ein Taucher, der sich von der Oberfläche völlig überbleit herablässt, direkt auf den Kopf - bei einem atemberaubenden Ankermanöver reißt ein anderes Tauchboot unseren
Anker los, manövriert wirr hin und her und gefährdet dabei auch noch eine Gruppe von Tauchschülern, die sich teils bereits an der Oberfläche oder nur knapp darunter befindet. Von Betroffenheit ist bei diesem Skipper
keine Spur festzustellen, man kennt vor Ort seine abenteuerlichen Manöver und akzeptiert eher dieses kollegiale Risiko, als ihn aus dem Verkehr zu ziehen.
Übel spielt man den verantwortungsvollen Basenleitern mit,
die jährlich mit neuen überraschenden Auflagen der Behörden konfrontiert werden. Zu Beginn einer neuen Saison herrscht stets die große Ungewissheit, was man sich im Winter wohl Neues hat einfallen lassen, natürlich nur
zur „Optimierung der Sicherheit“. Da dürfen nur noch maximal 5 Personen an Bord des Tauchboots befördert werden, das ohne Probleme noch bis zur vorhergehenden Saison mit 8 Tauchern besetzt werden konnte und
zugelassene Kapazitäten von 10 Personen hat. Jetzt muss die Basis mit 2 oder 3 Booten auslaufen, benötigt mehr Personal, Ausrüstung und Sprit. Wer hier aus betriebswirtschaftlicher Überlegung nicht zusperrte und lieber
Würstchen am Hauptbahnhof verkauft, der muss für seine Ausfahrten deutlich höher kalkulieren Da gibt es aber Akzeptanzgrenzen, die mittlerweile erreicht sind und nicht dazu beitragen alte Stammgäste verlässlich zu
halten oder neue zu rekrutieren.
Sieht man dann einen heillos überladenen Kutter einer italienisches Basis, mit einer Handbreit freier Bordwand und gut 40 Tauchern völlig überladen zum Tauchplatz dümpeln, dann
versteht man den schweigenden Zorn der Basenleiter, die nicht die italienische Nationalität haben. Trotz EU ist deren Lobby völlig unbedeutend. Man könne ja verkaufen, das legt man dann von Seiten der Behörden bei
entsprechenden Beschwerden mehr oder weniger deutlich nahe.