Extrem: Thomas Behrend
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Tech- und Höhlentauchen, höchste Anforderung an Psyche und Technik, Expeditionen in eiskalte Dunkelheit, das muß Spezialisten überlassen werden. Sonst
gibt es keine Rückkehr ans Licht.
Der ROTE SEE, der CRVENO JEZERO, als größte wassergefüllte Einbruchstelle der Welt, ist wohl die extremste Herausforderung, der sich Thomas Behrend gemeinsam mit dem
Expeditionsteam je stellte (alle Fotos). Da gibt es unüberwindlich wirkende Steilwände, 200 Höhenmeter grenzen die Wasserfläche vom direkten Zugang ab. Weitere 300 Meter tief steht das Wasser im Karstloch, 450 Meter
mißt der Krater im Durchmesser. Wie später entdeckt, gibt es verschiedene Höhlensysteme, die unter und über Wasser liegen. Das ist nichts für Sporttaucher, eben mal abgeseilt und abgetaucht. Expeditionen wie diese
erfordern viele Monate an Vorbereitung, Suche nach Problemlösungen Mensch und Material überhaupt ins Wasser zu bekommen - und wieder zurück.
Anstoß
Was bewegt Menschen Unmögliches
möglich zu machen? Das kann nicht immer mit nachvollziehbaren Gedanken erklärt werden. Als Phantast kann man Thomas Behrend keinesfalls bezeichnen, auch nicht als Abenteurer oder Risikoliebhaber. Da geht es nicht um den
Kick, den Adrenalinstoss, das Gefühl eben nochmal davongekommen zu sein. Eines ist er aber gewiss: Fasziniert von der Welt unter Wasser und von Höhlen. In Höhlen zieht es den Hanseaten seit einer Klassenfahrt, als er
als 13-jähriger in der Fränkischen Schweiz erstmals durch enge Gänge fern des Tageslichts streifte. Dieses Erlabnis war prägend, das Tauchen kam erst 8 Jahre später hinzu. Da studíerte er Maschienenbau. Fast wäre die
Konzentration auf die Meerestiefen zum Höhenflug geworden, hätte er spontan das Studium der neuen Leidenschaft geopfert, doch dann siegte kühle Überlegung und als Diplom Ingenieur verließ er die Universität. Als drittes
Element kommt noch das Medium Film ins Spiel. Mitte bis Ende der achtziger Jahre experimentiert er mit Videokameras, entscheidet sich aber für die Anschaffung einer 16mm Filmkamera von Bolex. Dazu baut ihm Arnold
Stepanek, der Gründer der Firma SUBAL in Steyr, ein Aluguss-Gehäuse, das Filmlassetten bis 120 Meter Materialvorrat zu verwenden erlaubt. Das heißt etwa 10,5 Minuten Rohfilm, die pro Tauchgang maximal zur Verfügung
stehen. Doch das war über Jahrzehnte hinweg der einzig gültige Standard und ist heute noch im Umfeld der bedeutenden Unterwasser-Filmer Produktionsmittel erster Wahl. Heute ist das Filmequipment gleichwertig zu
digitalen Camcordern im Einsatz, sogar aufgerüstet auf das Format Super 16, damit im neuen Seitenverhältnis 16:9 auch produziert werden kann.
Reiz
Was reizt nun zu Unternehmungen wie der im ROTEN
SEE? Wie kann so etwas überhaupt finanziert werden? Denn kaum zu glauben, aber der finanzielle Einsatz aus Privatmitteln des Teams erreicht die Summe von etwa DM 60.000,- , die nicht durch Sponsorengelder oder andere
Unterstützung ausgeglichen sind. Die Sponsoren haben sich mit leihweiser Überlassung von Ausrüstungsteilen beteiligt, ohne die die ganze Aktion nie hätte durchgeführt werden können. Die Seilbahn und Leitern, die den
Zugang zum Wasser erst möglich machten, die Plattform auf dem See, von der aus die Taucher den Abstieg beginnen, die Kompressoren, das ROV (ferngesteuerter Unterwasser-Roboter) für die Filmaufnahmen in der Tiefe von 200
Metern, all das und noch mehr kann nicht für dieses einzigartige Unternehmen alles gekauft werden, das würde die ohnehin schon hohen Eigenleistungen um ein Vielfaches übersteigen. Der Reiz, so Thomas Behrend, liegt in
der Überwindung großer oder größter Schwierigleiten, verknüpft mit Aspekten, die der Unternehmung einen besoneren Sinn geben. Der Sinn der Expedition in den ROTEN SEE liegt in der Fragestellung, ob Erkenntnisse zu
gewinnen sind, wie die Wasserversorgung der Bewohner im weiten Umkreis zukünftig sichergestellt werden kann. Es gilt den Zufluss zu finden, das System, das den See mit enormen Wassermengen versorgt.
Feinarbeit
Die
Vorbereitungen für die anstehenden extremen Tieftauchgänge mit Mischgas-Versorgung sind bis auf das kleinste Detail durchdacht. Während der Erprobungsphasen im Thuner See kommen noch eine Reihe von Erfahrungswerten
hinzu. Besonders werden die Regeln für einen Tauchgang-Abbruch, die Dekompression, die Oberflächenpausen, die Maximaltiefen und Gasgemische dabei erarbeitet. Im Team ist kein Platz für Kollege Zufall. Warum hier keine
Roboter eingesetzt werden, könnte man fragen. Weil die Beobachtung, der persönliche Augenschein und die Sensorik des Menschen Dinge wahrnehmen, die ferngelenkte Maschinen nicht übermitteln können.
Erreicht
Über 170 Meter Tiefe. Allein. Hochkonzentriert. Der Plan läuft ab. Keine Abweichungen. Noch mehr als 50 Meter Wasser unter dem Taucher. Eine riesige Öffnung in der
senkrechten Felswand ist gefunden. Leichte Strömung. Hier ist der Zufluss. Kein Roboter hätte dies so schnell und deutlich erledigen können. Der Auftrag ist erfüllt. Aufstieg. Stunden für die Dekompression. - trotz
Mischgas.
Gefahr
Nicht wirklich, aber doch, irgendwie. Einmal ein Rückweg in einer Höhle in Frankreich. Da waren auf langen Strecken keine Richtungspfeile gesetzt. Dann die Entscheidung bei der
Gabelung - linker Stollen oder rechter Stollen? Er fand den richtigen Weg.
Schreck, keine Gefahr und doch kostet es Nerven. Beim Durchtauchen einer Engstelle platzt ein Mittel- druckschlauch direkt an der ersten
Stufe. Die Luft entweicht in einem infernalen Donnern und sticht mental mitten in die angespannte Konzentration. Der Partner dicht dahinter schließt sofort das richtige Ventil. Nichts ist passsiert.
Zukunft
Archäologie,
versunkene Kulturen, das sind die konkreten Ziele der Zukunft. Den ersten Menschen dienten Höhlen stets als Zuflucht und Behausung. Viele sind heute geflutet, Resultat der erdgeschichtlich steten Veränderung des
Meeresspiegels. Und die Projekte dürfen nicht alltäglich sein. Antworten müssen gefunden werden auf offene Fragen. Eine Expedition ohne Antworten, trüge nicht die Handschrift von Thomas Behrend. Südamerika oder Afrika,
dort, wo die Weltkulturen ihre Wurzeln haben, dort wird er in die Dunkelheit gleiten und Erkenntnisse ans Licht bringen. Da auch immer die Kamera mit dabei, Video oder Film, je nach Auftrag. So teilt er dann seine einsamen
Tauchgänge mit einem begeisterten Publikum