Wracktauchen bei den Geisterschiffen von Truk Lagoon: Die Aikoku Maru
by Harald Bolten 8.00
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Die Aikoku Maru ist eines der Wracks, das zur berühmten Geisterflotte in der Lagune von Truk gehört. Was sie zu einem besonderen Wrack in dieser Ansammlung
von versunkenen Schiffen macht, lässt sich mit folgenden Worten beschreiben: Wenn man sich vom Boot aus über dem Wrack der Aikoku Maru ins glasklare warme Wasser fallen lässt, sieht man zunächst nur ein Bojenseil, das
sich scheinbar in endlosen Tiefen verliert. Nach einem langen Freifall in Fallschirmspringer-Manier fängt man erst ab zirka 30 Metern Tiefe an, die ersten schemenhaften Umrisse zu erkennen. In 40 Metern Tiefe erreicht
man dann die Oberkante eines gewaltigen Schornsteins. Von dort aus fliegt man wie ein Vogel über die achteren Aufbauten hinweg und passiert dabei Flakkanonen und eine von Korallen völlig überwachsene
Scheinwerferplattform. Danach gleitet man über die offenen Ladeluken hinweg und zwischen turmhohen Ladekränen hindurch zum Heck.
Wenn man das beeindruckende Heckgeschütz von der Seite fotografiert, stellt man beim
Blick auf den Tauchcomputer fest, dass man sich in 50 Metern Tiefe befindet. Außerdem ist nach etwa 5 Minuten Zeit am Wrack die Nullzeit bereits gleich Null. Da sich Dekotauchgänge hier nicht empfehlen, geht es nun ans
Auftauchen (die nächste Druckkammer ist 1000 km weit entfernt in Guam, und außerdem möchte man ja noch vier weitere Wracks an diesem Tag betauchen).
Zur Sicherheit wird auf dem Tauchschiff Thorfinn
von jedem Taucher ein spezielles Sicherheits-Dekoprogramm gefordert, unabhängig von Tiefe und Dauer eines Tauchganges: 2 Minuten auf 18 Meter, 3 Minuten auf 9 Metern, und 15 Minuten auf 5 Metern. Dieser Vorgehensweise
ist es zu verdanken, dass es in vielen Jahren zu keinen schwerwiegenden Dekounfällen gekommen ist.
Übrigens tauchte Cousteau’s Team auch schon an der Aikoku Maru, nachdem sie 1968 das Wrack nach einer
umfangreichen Suche mittels Sonar aufspürt hatten. Die Taucher drangen damals, wie in Cousteau’s Film über Truk Lagoon zu sehen, durch eine Ladeluke tief in das Schiff vor. Im Film wird behauptet, dass sie 90
Meter tief gewesen seien, effektiv waren es vielleicht eher 70 Meter. Auf jeden Fall hatten die Taucher tief im Wrack beim Anblick der vielen Skelette extrem mit dem Tiefenrausch zu kämpfen.........(zur Nachahmung
keinesfalls empfohlen).
Auch wenn von der Aikoku Maru nur der achtere Bereich erhalten ist, so ist sie dennoch eines der imposantesten Wracks in der Lagune. Das Schiff wurde 1941 als 150 Meter langes, kombiniertes
Fracht- und Passagierschiff mit ca. 10000 Tonnen Verdrängung fertiggestellt. Jedoch kam es nicht mehr zu einer friedlichen Nutzung. Es wurde umgehend von der japanischen Marine requiriert und zu einem Hilfskreuzer mit
umfangreicher Bewaffnung umgebaut. Zur Bewaffnung gehörten acht alte 15 cm-Zerstörerkanonen, Torpedos, zwei Flakgeschütze und zwei Wasserflugzeuge. Im Rahmen ihrer Karriere als Hilfskreuzer im pazifischen Raum was die
Aikoku Maru an der Aufbringung und Versenkung von 7 feindlichen Handelsschiffen beteiligt.
Bei einem gemeinsamen Einsatz mit ihrem Schwesterschiff Hokuku Maru widerfuhr dem anderen Schiff, was später auch der Aikoku
Maru widerfahren sollte. Die Hokuku Maru verschwand nach einem Treffer durch eine kleinere Artilleriegranate in einer enormen Explosion. Die Aikoku Maru konnte sich anschließend absetzen und in Sicherheit bringen.
Ab
1943 wurde die Aikoku Maru als Truppen- und Munitionstransporter verwendet. Sie traf am 16. Februar mit japanischen Truppen an Bord von Ponape kommend in Truk ein. Dabei war sie knapp der gewaltigen Flotte aus vier
Flugzeugträgern und anderen großen Kriegsschiffen der Amerikaner entwischt, die sich im Seeraum vor Truk Lagoon im Rahmen der Operation "Hailstorm" (Hagelsturm) zu einem trägergestützen Luftangriff auf die
japanische Flottenbasis sammelte.
Makaber: Am 17.2.1944, dem ersten Tag der vernichtenden amerikanischen Luftangriffe auf das "japanische Pearl Harbor", kam dann das spektakuläre Ende der noch mit
Hunderten von Soldaten belegten Aikoku Maru. Ein amerikanischer Torpedobomber vom Typ Grumman Avenger griff das Schiff an und wurde dabei von einer Flakgranate getroffen. Die Maschine stürzte brennend in die erste Ladeluke
der Aikoku Maru, vor deren Brücke, und explodierte. Sekunden später kam es dann zu einer gewaltigen Explosion, mit der das ganze Schiff unterging. Ein enormer Blitz, gefolgt von einer gewaltigen Druckwelle und einem
Rauchpilz, der an eine Atombomben-Eplosion erinnert, konnten noch aus großer Entfernung wahrgenommen werden. Die Aikoku Maru war von der Meeresoberfläche verschwunden. Tonnenschwere Trümmerteile flogen über die Lagune.
Eines wurde später in 800 Metern Entfernung auf dem Meeresboden entdeckt! Diese Explosion hatte die gesamte Schiffshälfte vom Bug bis zum Schornstein förmlich in kleine Fetzen gesprengt. Sie war so gewaltig, dass in dem 70
Meter tiefer gelegenen Meeresboden eine große Vertiefung entstand. Es gab keinen einzigen Überlebenden bei der Besatzung der Aikoku Maru.
Es ist mehr als erstaunlich, dass die hintere Hälfte der Aikoku Maru von der
Explosion kaum in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Wrack steht aufrecht auf dem Grund, und sieht aus, als hätte man die vordere Hälfte vor dem Schornstein senkrecht abgetrennt. Vom vorderen Teil sind keine Überreste zu
sehen. Wie der Schornstein direkt hinter dem Abbruch die gewaltige Explosion überstanden hat ist ein Rätsel. Man hat 1984/85 viele hundert Skelette von der Aikoku Maru geborgen, um sie dann in einer Shinto Zeremonie zu
verbrennen und die Asche nach Japan zu überführen. Trotzdem befinden sich im Inneren der Aikoku Maru noch immer viele sterbliche Überreste der japanischen Soldaten. So sieht man auch heute noch zum Teil Totenschädel und
Knochen, die von den einheimischen Tauchguides am Oberdeck platziert worden sind. Deshalb verwundert es nicht, wenn die Tauchgänge an der Aikoku Maru einen gespenstischen Charakter haben.
Die Aikoku Maru ist nur
eins von circa 30 betauchbaren Wracks in dieser Lagune. Truk Lagoon, das unbestreitbar den heiligen Gral der Wracktaucher darstellt, hält also noch viele andere "Schätze" bereit.