by Cornelia Beyer & Falk Wieland 4.09
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Technische Daten |
|
Infos |
Zwei geniale Ingenieure aus Frankfurt/Oder entwickelten und bauten ein Mini-U-Boot für die zivile und tauchtouristische Nutzung. Das HighTech-Fahrzeug kann
je nach Ausführung 50-100 m tief tauchen. Der Clou sind Größe und Gewicht: Dieses Tauchfahrzeug wiegt nur 1.700 kg und lässt sich per Trailer so einfach transportieren und zu Wasser bringen wie ein gewöhnliches
Motorboot. Falk Wieland und Cornelia Beyer berichten für UnterWasserWelt vom Helenesee.
Der Helenesee gilt neben Stechlin- und Tollensesee als eines der hauptstadtnahen Toptauchziele. Doch diesmal
führt uns der Weg nicht zur Tauchbasis am Oststrand, sondern zum DLRG-Gelände neben den schmucken Vereinshäusern am Weststrand. Über der Helene liegt Sonne pur, blauer Himmel, doch ein scharfer, an diesem Ufer leider
auflandiger Ostwind pfeift. Beim DLRG-Strand liegt die Nemo-Substation No. 1.
Zur verabredeten Stunde rollt ein Transporter mit dem NEMO-U-Boot auf dem Trailer an. Thomas Breinig und Jürgen Herrmann von der Nemo
Tauchtouristik GmbH haben den Ablauf im Griff: Routiniert wird der Trailer zunächst rückwärts zur Slipanlage gefahren. Hier wird der Anhänger festgelegt, und aus der Tiefe des Spezialtrailers erscheinen zwei lange
Stahlrohre. Mit dieser Deichselverlängerung kann der Bootstrailer so weit ins Wasser geschoben werden, dass das Mini-U-Boot aufschwimmt. Thomas Breinig lässt die beinahe unhörbaren Elektromaschinen an und steuert das
orange Boot zur Nemo-Substation No. 1, einem schwimmenden Haus am Ufer des Helenesees, wo das Boot festgemacht wird.
Mit dem U-Boot im Helenesee
Inzwischen
haben sich Fahrgäste versammelt, die Nemo-Fahrten gebucht haben oder geschenkt erhielten. Jeder zukünftige U-Boot-Copilot erhält eine eingehende Einweisung, eine Schwimmweste und darf in das schwankende Gefährt
einsteigen. „Commander“ Thomas Breinig schließt die Luke respektive die große Acrylkuppel über dem Fahrgast, hängt die Vorleine aus und klappt die eigene Luke zu. Nach einem letzten ok-Zeichen löst Jürgen Herrmann
die Achterleine. Leise surrend entfernt sich das knuffige kleine Boot in Oberflächenfahrt.
Unmittelbar vor der Slipanlage des DLRG-Hafens taucht das Boot ab. Zischend entweicht die Luft aus den Tauchtanks, ganz
langsam verschwinden die gläsernen Kuppeln unter der Wasseroberfläche. Der orange Bootsanstrich ist von der Substation noch lange zu sehen. Und wir tauchen außen mit. Wir sehen die Luftblasen aus dem Boot entweichen,
sehen die Propeller anlaufen und die Doppelruderanlage arbeiten. Ein Wunderwerk der Technik. Wir können gut in das kleine Boot hineinsehen, beobachten, wie Thomas das orange Wunderwerk per Joystick steuert, wie er
behutsam zwischen versunkenen Bäumen im Helenesee hindurch fährt.
Mit einem filigranen Trimmsystem passt er die Wasserlage des Bootes an das Gewicht der jeweils mitfahrenden Personen an. Der staunende Tauchgast
schaut auf das U-Boot selbst, auf seinen Piloten, kann mit Ultraschall-Sprechfunk kommunizieren, und dann ist da noch die Unterwasserwelt des Helenesees. Der auflandige Wind hat das Wasser leider stark eingetrübt,
dennoch sind die Characeen - Wiesen ab 10 Meter Tiefe, die Laichkräuter, die Althölzer mit lauernden Hechten oder diverse Jungfischschwärme gut zu beobachten.
„Im Planquadrat“ vor dem Clubhaus des Tauchclubs
Gallus haben wir eine „unterseeische Verabredung“ mit dem U-Boot-Piloten. Hier liegt ein rostiges, nachgebautes, etwa NEMO- großes U-Boot-Wrack. Ob wir beide Boote ins Bild setzen können? Die Sicht im Wasser gibt
dies leider nicht her, doch staunend verfolgen wir die phantastischen Manövriereigenschaften des kleinen Bootes. Hier am Wrack vermag der Skipper das kleine U-Boot mit einer Ecke des schlittenartigen „Fahrwerks“
auf dem Wrack aufzusetzen und dann minutenlang in Schwebe zu halten. Es ist erstaunlich, was für fein abgestimmte Bewegungen mit dem kleinen Nemo-Boot möglich sind.
Wir geben Handzeichen in Richtung der
Acrylglasdome, dass wir noch ein paar Bilder ganz dicht an der frontalen Acrylscheibe machen und das Auftauchen fotografieren wollen. Die Verständigung zwischen drinnen und draußen ist perfekt. Wir sind völlig entzückt
von dem kleinen Boot, das sich so vorsichtig und so beinahe unhörbar durch den See fahren lässt.
Technik und Sicherheit
Das Mini-U-Boot ist ähnlich aufgebaut
wie große militärische U-Boote. Es hat einen Druckkörper aus hochfestem Kesselstahl, und außerhalb des Druckkörpers sind ausblasbare Fluttanks angeordnet. Ein Luftfiltersystem mit mehreren Sicherheiten würde einen
UW-Aufenthalt bis zu 96 Stunden ermöglichen. Dabei wird das Atemgas über eine Absorberpatrone wie beim Kreislauftauchen regeneriert. In der Praxis von halb- bis einstündigen Fahrten reicht jedoch die pure Belüftung des
Bootes bei geöffneten Kuppeln bereits aus.
Das Boot hat nicht allein eine Sauerstoffversorgung mit CO2-Wäsche, sondern auch zwei Rettungstauchgeräte. Abwerfbare Sicherheitsgewichte, Notausschalter, Rettungssignalboje
und eine Sicherheitsauftauchschaltung garantieren eine Rettung im Fall des Falles. Die Sicherheitsauftauchschaltung lässt das Boot von allein auftauchen, falls die Besatzung einige Zeit gar nichts mehr tut, oder völlig
handlungsunfähig wäre. Das Boot steckt voller moderner Sicherheitstechnik und die Zertifizierung durch den Germanischen Lloyd steht kurz bevor. Ungeachtet der angegebenen Tiefenbereiche wird jedes Boot auf die
mindestens doppelte Tauchtiefe getestet.
Touristen-U-Boot und Profiboot
Nach Meinung der Nemo-Erfinder sind bisher weniger als 0,1 % aller Menschen jemals
U-Boot gefahren. Gar nicht zureden davon, dass die allerwenigsten einmal ein Boot dieser Art bedienen und steuern konnten. An diesem Jugendtraum vom „Kapitän Nemo sein“ haben die U-Boot-Bauer festgehalten. Sie
bieten heute den staunenden Gästen in ihrer Welt ein U-Boot an, das der Gast per Joystick selbst fahren darf. Die Doppelsteuerung des Zweimann-Bootes ist lediglich so ausgelegt, dass die Steuerung durch den
Profi-Piloten immer Vorrang hat, wenn dieser eingreifen muss.
Das Basismodel Nemo-100-Tourist ist ein Fahrzeug für 2 Personen und für bis zu 50 Meter Tauchtiefe. In dieser Klasse wird es demnächst auch ein
Drei-Personen-Boot geben. Diese Boote sollen in touristisch bereits erkundeten Gebieten zum Einsatz kommen und allein in auch für Sporttaucher erreichbaren Tiefen operieren.
Die Profiversion Nemo-100-Explorer wird
bis zu 100 Meter tief tauchen können und ist für professionelle Forschungs- und Wartungsarbeiten vorgesehen. Alle Boote gleichen sich darin, dass die U-Boot-Fahrer über die großen Acrylglaskuppeln einen hervorragenden
Überblick haben.
Die Erfinder und ihre Geschäftsidee U-Boot-Franchising
Die begeisterten U-Boot-Bauer haben im Jahre 2007 den Schritt in die Selbständigkeit
gewagt. Im Herbst 2008 war das erste Boot fahrfertig. Nach eigenen Angaben war vieles „Learning by doing“, es wurde experimentiert, probiert, verworfen, genaue technische Zeichnungen waren erst nach Erprobungen
sinnvoll.
Die geistigen Väter des Nemo-U-Bootes haben ihre Firma in die U-Boot-Werft und die Nemo-Tauchtouristik GmbH & Co. KG gegliedert. Die U-Boot-Werft erbaut nicht allein bestellte U-Boote, sondern
koordiniert mit mobilen Wartungsteams zukünftig auch die nötigen Arbeiten an den bereits laufenden U-Booten.
Die Nemo-Tauchtouristik GmbH & Co. KG sieht sich dem ursprünglichen Gedanken verpflichtet,
erlebnisreiche U-Boot-Fahrten für jedermann zu ermöglichen. Organisatorisch soll dies dadurch geleistet werden, weltweit Partner, in der Regel Tauchbasen oder Reiseunternehmen mit Wassersportangeboten, zu finden. Die
Partnerunternehmen werden zur Substation ernannt. Eine solche Substation hat ständig oder zeitweise U-Bootfahrten im Angebot und muss die U-Boot-Piloten vom Mutter-Unternehmen ausbilden lassen.
Ferner stellen sich
die U-Boot-Konstrukteure ein Art Franchising-System vor, innerhalb dessen die U-Boot-Touristik nach ihren Grundsätzen und Sicherheitsstandards betrieben wird, indem sie für die Wartung sorgen und am Umsatz der
Partnerunternehmen beteiligt sind. Selbstverständlich können auch Privatpersonen Boote kaufen, doch der Dauerbetrieb mit touristischen Partner-Unternehmen steht an erster Stelle des
Nemo-Marketing-Gedankens.
Inzwischen ist das zweite Boot im Bau, sind drei weitere bestellt und Interesse ist von Kroatien bis zur Karibik zu spüren. Die Vorstellung des Nemo-U-Bootes auf der Düsseldorfer boot 2009
hat Früchte getragen. Das Autogramm von Prof. Hans Hass ist noch immer auf dem Boot zu sehen. Die U-Boot-Werft arbeitet mit Hochdruck: Erst jetzt, nachdem das erste Boot rund 140 Betriebsstunden unter Wasser gefahren
ist und zahllose technische Verbesserungen erlebt hat, sind endgültige technische Zeichnungen möglich. Doch diese braucht man nun einmal an zwei Stellen: für denkbare Zulieferer von Einzelteilen genauso wie zur Vorlage
beim Germanischen Lloyd zur Zertifizierung der Konstruktion.
Die Substationen
Selbstverständlich ist der Heimathafen des ersten Nemo-100 Bootes der Helenesee
und dieser bleibt auch die Substation No. 1. Seit Herbst 2008 wurde auch der in Taucherkreisen bekannte Kulkwitzer See mit der Tauchbasis der Leipziger Delphine Substation, ferner ist einer der drei Steinbruchseen von
Löbejün Substation. Die nördlichste Substation ist derzeit die neue Marina in Boltenhagen an der Ostsee, wo man zu ausgewählten Terminen die geheimnisvolle baltische Unterwasserwelt besichtigen kann.