by Ilka Weber, Fotos Ilka Weber, Herbert Frei, Michael Goldschmidt 7.06
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Fauna & Flora – von großen Fischen und kleinen Krabblern, Sehen und Entdecken im Süßwasser kann man lernen!
Wer das erste Mal in
einen kühlen See abtaucht erwartet, sofort von bunten Fischen umringt zu sein, so wie man es vielleicht von seinem Tauchkurs im Urlaub gewohnt war, der ist zunächst enttäuscht. Ja, es gibt sogar die unter so genannten
Urlaubs-Tauchern weit verbreitete Meinung, dass Süßwasser sei langweilig, kalt, finster sei und nur etwas für „Spinner“. Woran liegt das? Warum sind die einen dieser harschen Meinung und warum zieht es die anderen
Wochenende für Wochenende scharenweise dem Gerede zum Trotz an heimische Seen? Wer im Süßwasser nach einem Tauchgang enttäuscht dem Wasser steigt und nichts gesehen hat, außer den eigenen Tauchpartner, der hat einfach
gesagt – noch - nicht den Blick dafür. Doch mit ein wenig Interesse kann man dies erlernen und wird erstaunt sein, an welch interessanter Fauna und Flora man bisher achtlos vorbeigetaucht ist.
Mir
ging es bei den ersten Tauchgänge nicht anders, als Ihnen womöglich auch und nach den ersten trüben und langweiligen Tauchgängen und der Frage, ob das jetzt schon alles gewesen sei, kaufte ich mir ein Buch über
Süßwasserfische, dem weitere, etwa über niedere Lebewesen folgten. Fleißig durchgeblättert und die Fotos verinnerlicht ging ich das nächste Mal ins Wasser und siehe da, ich entdeckte in ein und demselben Tauchgewässer
nicht nur das übliche graugrün in graugrün.
In den meisten Seen, gleich ob natürlich oder künstlich angelegt, wird man wohl dem recht häufigen Flussbarsch begegnen. Neugierig umkreist er oft die Taucher oder
folgt ihnen sogar. Bis zu 50 cm lang werdend ist er mit seinen vertikal über den Körper verlaufenden schwarzen Streifen und den roten Bauch- und Brust-Flossen ein äußerst attraktiver Geselle.
In vielen
Tauchgewässern ist der oft imposante Hecht heimisch, der bis zu 1,20 m lang werden kann. Er ernährt sich räuberisch, beispielsweise von den Barschen, aber auch von eigenen kleineren Artgenossen bis hin zu jungen Enten
und Bisamratten. Er kann mit seinem großen, zahnstarrendem Maul Beute bis zu einem Drittel oder gar der Hälfte seiner eigenen Körpergröße fressen. Hechte sind sehr schnelle Schwimmer, bedingt durch den fast
pfeilförmigen Körperbau. Hier muss man sich als Taucher äußerst behutsam anpirschen, sonst sieht ihn nur noch blitzschnell davonschwimmen.
In vielen Seen ist der Aal heimisch. Beschäftigt man sich ein wenig mit
diesen schlangenförmigen Tieren, erscheinen diese längst nicht mehr so uninteressant grau in grau, wie sie im Alterskleid gefärbt sind. Das Leben eines Aals beginnt damit, dass seine Eltern sich aus den Seen Europas auf
eine lange und gefährliche Wanderschaft ins Meer begeben. Sie überwinden Hindernisse und wandern streckenweise selbst außerhalb des Wassers geschickt, bis sie in der Sargassosee angelangt sind, wo sie gleichzeitig
laichen. Die halb entwickelten Aale werden im so genannten Weidenblattstadium, das etwa 3 Jahre dauert, vom Golfstrom in den nördlichen Atlantik getragen. In dieser Alterstufe spricht man von Glasaalen, diese sind dann
etwa 7 cm lang. Von den europäischen Küsten gelangen sie flussaufwärts in die Binnengewässer des Landesinneren. Dort wachsen sie die nächsten Jahre zur vollen Größe von etwa 1,50 m und 6 kg Gewicht heran. Weibliche
Tiere werden mit 12 bis 15 Jahren geschlechtsreif, männliche bereits in einem Alter von sechs bis neun Jahren. Zum Ablaichen wandern die Tiere wieder, so sie nicht auf dem Teller eines Fischfeinschmeckers gelandet sind,
aus den Gewässern des Landesinneren über die Flüsse dahin zurück, wo sie geschlüpft waren: In die Sargassosee. Sie legen dabei oft Strecken von über 5000 Kilometern zurück. Aale zu entdecken ist nicht einfach. Nachts
räuberisch unterwegs, sind sie des Tags oft im Sediment vergraben oder lauern in einer kleinen Spalte oder Höhle einer Steilwand. Es lohnt sich, solche Spalten mit einer Tauchlampe einmal genauer zu inspizieren! In
einigen Gewässern könnte man dort auch auf die Aalrutte (oder auch Aalquappe) treffen, die mit dem Dorsch verwandt bis zu 1m lang wird und eine sehr interessante Fleckenzeichnung über den ganzen Körper hinweg aufweist.
Nicht zu vergessen unter den bekanntesten Süßwasserfischen wären die Seeforelle, die maximal 1,30 m lang wird und eine Vorliebe für sehr sauberes Wasser hat, der Zander, ein sehr schmackhafter und edler Speisefisch
mit maximal 1,30 m Länge, der Karpfen in seinen unterschiedlichen Unterarten (Spiegelkarpfen, Lederkarpfen, Schuppenkarpfen) und einer maximalen Körperlänge von 1,20 m.
Ein Highlight unter den zu entdeckenden
Fischarten dürfte der Wels (oder auch Waller) sein. Mit bis zu 3 m Körperlänge und 150 kg Gewicht gehört er somit zu den „Großfischen“ des Süßwassers und seine imposante Erscheinung und der massige Körper mit dem
breiten Maul dürften so manchem Taucher zu stark erhöhter Atemfrequenz verhelfen. Keine Angst, angriffslustig ist der Wels nicht! Selbst wenn das Männchen gerade beim Bewachen des Geleges ertappt wurde, wird der Waller
ausschließlich durch nahes Herumschwimmen um die Taucher zu beeindrucken wissen. Es gibt diverse Mythen um den Waller, was seinen Speiseplan angeht, aber Fische und allenfalls Enten dürften bereits das höchste der
Gefühle sein, was er jagt und verspeist. Ein anderer, nicht weniger imposanter und fast urtümlich anmutender Geselle ist der Stör, der hierzulande nur noch in einigen Seen, meist durch künstlichen Besatz anzutreffen
ist. Mit einer stattlichen Körperlänge von bis zu 3 m je nach Art (angeblich sollen auch bis zu 8 m lange Tiere gefangen worden sein, aber das kann auch dem Anglerlatein entspringen) und den vielen Knochenplatten, die
in 5 Reihen auf seinem langgestreckten Körper zu finden sind, eine herausragende Begegnung unter den Fischsichtungen im Süßwasser. Seit alters her gewinnt man von einigen Arten den teuer bezahlten Kaviar.
Highlights
ganz anderer Art dürften Entdeckungen stark gefährdeter Fische sein. So machte ich kürzlich in einem Bach südlich von München die Entdeckung einiger Groppen mit 10-15 cm Körperlänge und einem eher an einen Frosch
erinnerndem breiten Maul, die die gute Wasserqualität dieses von Gebirgsquellen gespeisten Fließgewässers sichtlich genossen. Leider fiel mir auch hier über die letzten 3 Jahre ein leichter Rückgang des Bestands
auf.
Und dennoch ... es sind nicht die Superlative, die im Süßwasser auf den Taucher warten, wer mit diesem Anspruch tauchen geht, sollte sich doch lieber nach einem Großfisch-Trip auf den Malediven oder in Thailand
umsehen. Es sind die kleinen und Kleinstlebewesen, die einen umgeben, die man aber erst mit etwas geschulterem Auge entdecken kann. So schaute mich einmal ein Tauchpartner äußerst verwundert bei einem 3 m Stopp an, weil
ich mir mit für ihn unsichtbaren Dingen spielend die Zeit vertrieb. Es war ein rote Mückenlarve, Aquarianer kennen diese als Lebendfutter, mit der ich jonglierte. Ein anderes Mal wies ich einen Tauchpartner auf ein
Ast-Stück hin, auf dem eine Kolonie Süßwasserpolypen saß. Er schaute mich lange fragend an, nachdem ich weiter hartnäckig auf die Polypen deutete und, so zumindest für mich, eindeutige Handbewegungen (bewegende
Tentakeln) machte. Köcherfliegenlarven zu beobachten ist ebenfalls ein äußerst interessanter Zeitvertreib. Diese bauen sich aus dem jeweiligen Baustoffen der Umgebung einen sie vollständig umgebenden köcherförmigen
„Schlafrock“. Krabbelt nun eine Köcherfliegenlarve unbeabsichtigt weiter und ändert sich das sie umgebende Material, ist die sonst perfekte Tarnung unter Umständen für die Katz. In manchen Gewässern findet man im
Uferbereich oft an Laichkraut oder Teichrosen oder auch im Bodenbereich die Larven verschiedenartiger Libellen, die allesamt räuberisch lebend gleich geschrumpften Monstern auf Beute lauern. Selbst Jungfische etwa
gleicher Größe erbeuten diese Tiere erfolgreich.
Wer es nicht ganz so winzig mag, hat in manchen Seen noch das Glück, auf Edelkrebse zu treffen, meist aber findet man lediglich den Amerikanischen Flusskrebs, der,
nachdem die Edelkrebse durch eine „Krebspest“ genannte Pilzerkrankung um 1870 fast ausgerottet waren vielerorts eingesetzt wurde und dort nun den verbleibenden Edelkrebsen das Leben schwer und das Futter streitig
macht. Edelkrebse kommen in beeindruckend vielen Farbschattierungen vor, von fast weiß über rotbraun bis hin zu knallig blau ist hier alles zu finden. Interessant ist es, beim gemächlichen Dahingleiten unter Wasser, das
Filtrieren der Muscheln zu beobachten. Kaum sieht die Muschel den Taucher, klappt sie flugs die Schalen zu, um nach kurzer Zeit wieder mit dem „Mund“ aus ihrem Versteck zu kommen. Leider gibt es nur noch wenige
Gewässer, in denen die ehemals häufigen Malermuscheln, Flussmuscheln, Flussperlmuscheln und Teichmuscheln noch in größerer Stückzahl vorkommen. Gründe hierfür sind die in der Vergangenheit oft unüberlegt und gewissenlos
eingebrachten Schadstoffe und Verunreinigungen durch Industrie und Landwirtschaft, zum anderen ist aber auch eine wesentlich kleinere Muschel schuld des Übels. Gemeint ist die Dreikantmuschel oder auch Zebramuschel,
die, als sogenannte Neozoe vermutlich aus dem Schwarzen Meer eingeschleppt wurde und sich durch den immer stärker werdenden Schiffsverkehr überall ausbreitet. Die Zebramuschel ist eine sehr konkurrenzstarke Art. Sie
setzt sich mit Byssusfäden, ähnlich der Miesmuschel, an allem fest, was als Untergrund dienen kann, besonders gern allerdings an der Mundöffnung der einheimischen Großmuscheln, denen sie so das Futter abfiltert. Die
Wirte überleben diesen Kampf meist nicht sehr lang und verhungern. Die Wissenschaft ist noch unschlüssig, ob das oft recht invasive Auftreten von Neozoen nun zu verdammen sei oder als natürlicher Prozess in der sich
stets verändernden Natur angesehen werden sollte. Eins ist klar, sollte die Dreikantmuschel den Kampf gegen die einheimischen Großmuscheln gewinnen, wird auch ein immer seltener werdender Fisch auf der Strecke bleiben.
Der Bitterling kann sich nur vermehren, in dem er von April bis Juni seine Eier mittels Legeröhre in Wander- oder Malermuscheln legt.
Wasserpflanzen sind im Süßwasser von entscheidender Bedeutung, bieten sie doch
genügend Versteckmöglichkeiten und Laichgrund für die Süßwasser-Bewohner und tragen durch Nährstoffabbau und Fotosynthese einen enormen Anteil an der Verbesserung der Wasserqualität. Typische Wasserpflanzen in
heimischen Gewässern sind die Armleuchteralgen, das filigrane gemeine Hornblatt (auch verbreitet unter dem Namen Laichkraut), die See- und Teichrosen und Mummeln, mit den auftreibenden und an der Wasseroberfläche
schwimmenden Blättern und Blüten, der immer seltener werdende Rohrkolben, der Kolonien im Uferbereich bildet, die am Uferrand stehende Binse, sowie das dichte Uferzonen bildende Schilf. Leider wird häufig durch
Wasserverschmutzung, Uferbebauung und –begradigung sowie Bootsverkehr der für die Süßwasserfauna so lebenswichtige Bestand an Wasserpflanzen stark gefährdet.
Fische haben je nach Art ganz unterschiedliche
Laichzeiten. Wer in heimischen Gewässern taucht, sollte sich daher vorher über Einstiege und freigegebene Tauchplätze informieren, denn oft gibt es zeitliche Beschränkungen, die abhängig vom jeweiligen Fischbestand des
Gewässers und deren Laichzeiten sind. Diese sollten unbedingt eingehalten werden! Zum einen sind Übertritte natürlich auch dafür verantwortlich, dass immer strengere Auflagen vorherrschen und oft Taucher eine lange
Anfahrt haben, um zum nächsten freigegebenen Tauchgewässer zu gelangen, zum anderen sollte man sich nur einmal die verheerende Wirkung des Stroms eines Flossenschlages auf das Fischgelege vorstellen. Es ist schließlich
auch in Tauchers Interesse, die Brut zu schützen, da dies die Fischsichtungen und Erlebnisse von morgen bedeuten. Genauso wichtig ist es, Ruhezeiten der Fische einzuhalten. Fische aus ihrer natürlichen Umgebung und
ihrem üblichen Rhythmus gerissen sind leichte Beute für deren Feinde.