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C: Herbert Frei

by Herbert Frei 11.03

Vor einigen Jahren machte ein riesiger Waller aus dem Bodensee in vielen süddeutschen Zeitungen Schlagzeilen. Erstmals gelangten authentische UW-Aufnahmen des mächtigsten und größten Süßwasser-Raubfisches Europas an die Öffentlichkeit. Und allen Experten war wieder einmal bewusst, wie wenig man bisher über dieses unheimliche Lebewesen in Erfahrung gebracht hatte. Denn wo der Waller wohnt, können ihm die Menschen nicht folgen. Herbert Frei über schwimmende Giganten in heimischen Gewässern.

Seine Lebensweise ist so düster wie seine Umgebung. Dunkelheit und Schlamm, trübes Wasser und versunkene Bäume, mörderische Kälte und gefährliche Tiefen – die Welt des Wallers ist geheimnisvoll und rätselhaft. Sagenumwoben haust er zwischen Wurzelwerk, in Höhlen und im Schilf. Der Mythos, der diesen Fisch umgibt, lässt Geschichten, Märchen und Legenden ranken. Oftmals vermischen sich Dichtung und Wahrheit zu einem dichten Netz, in dessen Maschen sich die Fabeln wie Schwarmfische verfangen.
Silurus glanis, Wels oder Waller genannt, lebt zurückgezogen und verborgen. Gute Freiland-Aufnahmen von ihm sind so selten wie eine Sonnenfinsternis, denn der riesige Fisch ist überwiegend nachtaktiv, zieht sich deshalb am Tage in einen Schlupfwinkel zurück, nimmt häufig die Farbe des Untergrundes an, ist dann graubraun marmoriert, dunkelgrün gefleckt oder fast schwarz. Getarnt wie ein Guerillakämpfer vor seinem Einsatz. Wie soll man ihn unter diesen Umständen finden?
Oft liegen Waller aber auch an ungeschützten Stellen, wo sie kein Mensch vermuten würde. Dieses atypische Verhalten findet man aber nur in großen Seen. Vieles am Waller ist unbekannt, denn Verhaltensforscher, Fotografen und Biologen haben es schwer, dem gewaltigen Fleischberg bei seinen Wanderungen durch die Unterwasserwelt auf der Spur zu bleiben.  

Unersättlicher Rachen

Von allen Süßwasserfischen besitzt der Wels das mit Abstand größte und breiteste Maul. In diesem Todesschlund verschwindet die Beute als hätte es sie nie gegeben. Wenn der Süßwasserkoloss in Fahrt gerät, gibt es für alle Lebewesen im See nur noch eins: Rette sich wer kann! Hechte, Karpfen, Aale, Krebse, Molche, keiner wird verschont. Wasservögel, Ratten, Wollhandkrabben, Schlangen, badende Hunde – nichts ist vor ihm sicher. Auch Kleinkinder soll er schon verschlungen haben. Bei Preßburg tauchten vor den Augen entsetzter Fischer beim Ausnehmen des Mageninhalts eines gigantischen Welses die Reste eines Knaben aus dem Innern auf.
Diese und ähnliche Geschichten nährten vielfach den Boden für Aberglauben und Furcht vor diesem Riesenfisch. Ein potentieller Menschenfresser ist der Wels trotz seiner Größe und seines Gewichtes nicht. Und es kann weiterhin ohne Angst in allen Seen und Flüssen gebadet und getaucht werden. Vermutlich stammen die in Welsmägen gefundenen Menschenteile alle von Ertrunkenen, die von den Wallern, deren Vorliebe für Aas bekannt ist, nach und nach verschlungen wurden. Daß hungrige Riesenwaller sich gelegentlich eine Ente, ein Bleßhuhn, einen Jungschwan oder eine halbwüchsige Gans von der Oberfläche holen, ist belegt. Entgegen aller Lehrbuchmeinungen sogar vorzugsweise am helllichten Tage. Auch kleine Hunde kann es treffen. Beim Apportieren von Holzstücken aus dem See ist schon mancher spurlos verschwunden. Kein Anglerlatein, sondern beklemmende Tatsache. Einen Wasserschwall und vielleicht ein kurzes Jaulen, mehr haben Beobachter nicht gesehen und gehört.
Lässt man Welse in Ruhe alt werden, entwickeln sich nach biologischen Hochrechnungen über 100-jährige Exemplare von 3 m Länge und 300 kg Lebendgewicht. Ein wahrhaft königlicher Fisch. Solche Giganten sind jedoch bei der heutigen systematischen Befischung wohl kaum mehr anzutreffen. Gefangen wurde mit diesen Maßen jedenfalls seit Jahrzehnten keiner mehr. Es könnte sie aber durchaus geben, wie Experten vermuten. Denn alte Fische lassen sich nur schwer zu einem Biss überlisten und noch schwerer zu fangen, wie Sportfischer bestätigen können. Ob Waller mit den Jahren schlauer werden?
Deutschlands Rekordwaller der Neuzeit wurde 1998 von Mario Caruso im Rhein bei Großrohrheim in der Nähe des Kraftwerkes Biblis gefangen. Er maß 2,37 m und wog 85 Kg. Der ehemalige Amateurboxer, 185 m groß und in zahlreichen Kämpfen erfolgreich, war am Ende seiner Kräfte, als er den "Riesen vom Rhein" landete. Überlistet wurde der Gigant durch ein Stück Aal, nachweislich die Leibspeise großer Welse und deshalb einer der fängigsten Köder für diese Fischart.
In den Kärntner Seen, im Bodensee und in der Donau werden Welse mit ähnlichen Maßen vermutet, eventuell noch größer und schwerer. Ein 1946 gelandeter Riese aus dem Wörthersee war 2,3 m lang, wog aber eigenartigerweise nur 65 Kg.  Österreichs Superwaller wurde laut historischer Unterlagen 1616 in der Drau bei Hollenburg überwältigt. Länge 2,5 m und 76 Kg schwer. In den Erbhuldigungen aus dem Jahre 1666 findet sich noch eine Eintragung über einen 2,4 m langen Waller, dessen Gewicht aber nicht eindeutig verbürgt ist. Kolossale Exemplare soll es in den Donauauen bei Wien geben. Gesichtet wurden Einzelexemplare mit gigantischen Körpermaßen, größer als die Taucher.
Unter Wallerexperten gilt insbesondere Norditalien als Hochburg der Giganten. Am 8. April 2002 ging der Österreicherin Edeltraud Pfeiffermann in einem Nebenarm des italienischen Fluß Po ein Waller mit 238 cm und 113 Kg an den Haken. Der gierige Fisch verschluckte einen ausgelegten Aal. Das Fischmonster geht in die Geschichte ein als einer der größten, jemals mit der Angel gefangenen Welses. Und definitiv als der gewaltigste Wels, der je von einer Frau gefangen wurde. Solche Fische werden von verantwortungsbewussten Petrijüngern aber nicht getötet. Auch Sportfischerin Pfeiffermann entließ den riesigen Fisch nach einigen Erinnerungsfotos wieder in die Freiheit.       
Erstaunlicherweise sind die meisten gefangenen Riesenwaller gemessen an ihrer Größe recht schlank. Nur wenn sie sehr alt sind und sich das Längenwachstum verlangsamt, nimmt die Körperfülle entsprechend zu. Über 100 Kg wiegt ein Waller nur, wenn das Wasser warm und das Nahrungsangebot groß ist und er außerdem ein Alter von 50 Jahren deutlich überschritten hat.
Als größter und schwerster Riesenwels aller Zeiten gilt ein mit Netzen 1761 in der Oder gefangener Koloß. Der gewaltige Fisch wog ohne Eingeweide 375 Kg.         

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