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© Herbert Frei / UWW

by Herbert Frei 7.06

Herbert Frei @ Jürgen Steiner

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Wer in der Vergangenheit „Weiße Haie“ sehen wollte hatte zwei Möglichkeiten: Entweder flog er für sündhaft teures Geld und ungewissem Ausgang nach Australien, oder er versuchte sein Glück bei schlechter Sicht und eiskaltem Wasser in Südafrika. Herbert Frei fand eine dritte Möglichkeit im Pazifik. Auch nicht billig, aber mit deutlich wärmerem Wasser und einer unwahrscheinlichen Transparenz.

Der Wunsch mit dem Weißen Hai zu tauchen überkommt nach einigen tropischen Urlauben fast jeden UW-Fotograf oder Filmer. Meistens bleibt es beim Träumen, weil die wirtschaftlichen Gegebenheiten solche Späße nicht immer ermöglichen. Als noch bezahlbar gilt eine „White-Shark-Expedition“ in Südafrika. Leider ist sie nicht immer erfolgreich. Kleine Käfige, Dünung, miese Transparenz und saukaltes Wasser, das sich nur im Trockentauchanzug ertragen lässt, dämpfen im Prinzip die meisten euphorischen Gefühle. Neuerdings, so hört man, darf man dort nicht mehr mit Tauchgerät in den Käfig, sondern muss an der Oberfläche Luft holen und sich dann wie ein Apnoeist im Drahtgeflecht nach unten hangeln. Auf diese Weise ein vernünftiges Haibild hinzubekommen, ähnelt dem Versuch mit dem Kinn eine Faust totzuschlagen. Man kann hier getrost sagen, dass die UW-Fotografen beispiellos an der Nase herumgeführt und betrogen werden.

Die unheimliche Insel

Seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit 5 Jahren, kann man Weiße Haie auch im Pazifik fotografieren und zwar vor „Isla de Guadaloupe“, einer zu Mexiko gehörenden Insel in der Nähe der Baja California. Isla de Guadaloupe ist 30 Km lang, 6 Km breit und 1400 m hoch - ein gigantischer Felsen im Pazifik, unbewohnt, kahl, ohne Süßwasser, scheinbar am Ende der Welt. An den Steilküsten und wenigen zugänglichen Buchten tummeln sich Robben und Seelöwen, die Leibspeise der Weißen. Die Gewässer um Guadaloupe gehören fraglos zu den schaurigsten in den Weltmeeren. Badegäste, Surfer, Taucher und Schnorchler sucht man vergebens. Sich hier ins Wasser zu begeben, wäre etwa so, als würde man inmitten eines hungrigen Löwenrudels sein Nachtlager aufschlagen. 
Etwa 100-200 Weißhaie sollen hier leben, genaues ist nicht bekannt. Meeresbiologen, die hier gelegentlich die Weißen beobachten, katalogisieren und markieren, sind oft wochenlang die einzigen Menschen auf der Insel. Ziel dieser Aktionen ist mehr über diesen einzigartigen Meeresbewohner zu erfahren, von dem man immer noch nicht weiß, wie er sich paart, wo, wann und wie er seine Jungen zur Welt bringt und vor allem was seine Angriffslust weckt und den Beißreflex auslöst. Den meisten wissenschaftlichen Untersuchungen hat er sich erfolgreich widersetzt. Noch nie gelang es, einen Weißhai in Gefangenschaft zu halten. Seine Wildheit, sein seit Jahrmillionen ausgeprägter Jagdinstinkt sind nicht für das Halten und Züchten in einem Becken geeignet.
Weiße Haie sind akut vom Aussterben bedroht. Big-Game-Fishing mit dem Ziel den größten und schwersten Weißen mittels Angelhaken an Land zu ziehen sowie Treibnetze und die Dezimierung seiner Beutetiere (Thunfische, Meeressäuger, Robben etc.) sind zusammen mit evolutionären Veränderungen (braucht die Natur noch solche riesige und wilde Raubtiere?) für den dramatischen Rückgang der Bestände zuständig.

Höllenfahrt zum Großen Weißen

Ausgangspunkt ist San Diego, eine amerikanische Hafenstadt am Pazifik, bekannt durch den Freizeitpark Seaworld. Dort begibt man sich an Bord eines der wenigen Tauchschiffe, die Expeditionen zum Weißen veranstalten. Unser Schiff heißt Searcher, ein 31 m langes Holzboot, Baujahr 1970, mit Kabinen, die kleiner sind als gutbürgerliche Besenkammern. Die schmalen Kojen erfordern eine gewisse Geschicklichkeit, um hinein- und wieder herauszukommen. Besonders dicke und besonders große Mitreisende erfahren hier explizit, dass Masse und Länge nicht immer und überall Vorteile hat.
Noch im Hafen gibt der Koch Antikotzpillen aus, die einen doch etwas nachdenklich stimmen. Kann es denn so schlimm werden? Der Pazifik ist doch ein ruhiges Meer, oder? Das mag sein, aber nicht in dieser Gegend, so wurde uns gesagt. Spätestens wenn man die Bucht von San Diego hinter sich gebracht hat, hört der Spaß auf. Dann rollen Wellen bis 6 m Höhe heran, dass einem Hören und Sehen vergeht. Die Searcher schlingert in den langen Wellentälern, als ob sie sich gleich überschlagen will. Langliegen und Festhalten in den Kojen sichert das Überleben. Wer zur Toilette muss, ist zu bedauern. Sicherheitshalber befinden sich zwei Edelstahlhaltegriffe in Reichweite. Die braucht man auch, sonst endet die Erleichterung im Erbrochenen bzw. in den eigenen Exkrementen.
Mitreisende, die lieber über Bord als in die Schüssel kotzen wollen, werden angebunden. Das wilde Auf und Ab des Schiffes könnte zum Totalverlust des einen oder anderen Haifotografen führen. Denn in diesen Wellenbergen jemanden wieder zu finden ähnelt dem Versuch, eine Murmel am Strand von Rimini aufzuspüren. Der freiwillige und kalkulierte Wahnsinn dauert lange 400 km, was mit einer Fahrtdauer von 22 h gleichgesetzt werden kann. Erstaunt stellt man fest, dass auch harte Kerle auf einmal ganz handzahm werden und sich wieder an die Bibel und ein heimeliges Zuhause erinnern, dem sie voll Tatendrang entflohen sind.

Käfigtauchen

Dem Großen Weißen begegnet man am besten aus sicherer Entfernung oder hinter Gittern. Gerätselt wird unter den Teilnehmern immer wieder, ob man es riskieren kann, vom Schiff aus an Land zu schwimmen. Versucht hat es noch niemand. Die Besatzung der Searcher hält es für ein lebensgefährliches Spiel mit wenig Überlebenschancen. Auch der an Bord befindliche Weißhaiexperte Ralf Kiefner, der in Südafrika schon ohne Schutzkäfig die Weißen filmte, äußert sich sehr zurückhaltend zu solchen Spielchen und spricht von einem unkalkulierbaren Risiko.
Die vor Guadaloupe lebenden Weißen ernähren sich hauptsächlich von einer hier endemisch lebenden Robbenart, den Fure-Seales. Das Fell der Fure-Seales ist das dichteste aller Seehunde. Diesem Umstand haben es die Tiere zu verdanken, dass man sie fast vollständig ausrottet hat. Als nur noch wenige Exemplare in unzugänglichen Höhlen der Steilküste übrig waren, entschloss man sich, Guadaloupe und die Fure-Seals unter Schutz zu stellen. Das, was Weiße Haie niemals schaffen werden, erledigt der Mensch in seiner Bösartigkeit und Gier in wenigen Jahrzehnten. Die totale Eliminierung einer Tierart. Mittlerweile haben sich die Fure-Seals-Bestände wieder erholt. Und mit ihnen auch der Bestand an Weißhaien.     
Vor Guadaloupe gehen Seehunde und Robben überwiegend nachts auf Beutefang, wenn die Weißen sie nicht sehen können. Denn Carcharodon carcharias greift seine Beute vornehmlich am Tage von unten an. Mit elementarer Gewalt stößt er senkrecht nach oben, packt die Beute und wird vom eigenen Schwung oft meterhoch aus dem Wasser getragen. Mit lautem Krachen fällt er ins Wasser zurück, die Robbe quer im Maul. Beobachtet wurde dieses Jagdverhalten zuerst in Südafrika. Aber auch vor Guadaloupe sollen es die Weißhaie so machen.
Nachts schwimmen die Fure-Seals um das Tauchboot, lassen sich von geangelten Fischen füttern. Weiße haben wir in der Nacht nicht gesehen, aber dass sie da sind, steht außer Frage.

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