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Ralf Kiefren und Andrea Ramalho © Herbert Frei

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Interview mit den Haifilmern Ralf Kiefner und Andrea Ramalho


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Im Internetforum von Shark Projekt schreibt ein Haifan, dass er im Mittelmeer von einem ca. 2,5 m langen Weißen Hai umkreist wurde, der ihn mit der Schnauze angestupst habe und dann weiter geschwommen sei. Ist so etwas denkbar? Und wenn ja, warum hat der Weiße nicht zugebissen?

Ralf Kiefner
Dass es Weiße Haie auch im Mittelmeer gibt, ist hinlänglich bekannt. Begegnungen mit Menschen also durchaus möglich, allerdings recht unwahrscheinlich. Und solche hautnahen Kontakte, wie beschrieben dürften eher die Ausnahme sein. Weiße Haie sind normalerweise sehr scheu.
Was will der Weiße Hai machen, wenn er einen Gegenstand näher auf  Fressbarkeit untersuchen will? Hände hat er keine, folglich bleibt ihm neben seinen hoch entwickelten Sinnen nur die Möglichkeit eines Stupsens mit der Schnauze oder eines Probebisses, um Informationen über sein Gegenüber zu bekommen. Der Weiße hat nach dem Nasenstüber offensichtlich erkannt, dass der Taucher als potentielle Beute nicht in Frage kommt.

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Du warst mit uns beim Weißen in Guadaloupe. Könnte man sich dort den Tieren mit Gerät oder schnorchelnderweise nähern?

Ralf Kiefner
Um dies beantworten zu können, müsste ich die Weißen dort länger beobachten können. Die wenigen Tage im Käfig mit den nur sehr sporadischen Begegnungen reichen keinesfalls aus, um eine fundierte Meinung zu bilden. Ich weiß aber, dass in Guadaloupe schon Versuche zum Freitauchen mit den dortigen Weißen unternommen wurden. Allerdings mit sehr zweifelhaftem Erfolg. Man sollte aber es nicht für unmöglich halten. In absehbarer Zeit wird es sicherlich jemandem gelingen.
Als wir vor etwa 7 Jahren mit unserem Film „Beyond Fear“ in Südafrika begonnen haben, hielt kaum jemand Interaktionen, wie wir sie im Film darstellen, zwischen Weißem Hai und Mensch für möglich. 

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Weshalb sind Weiße Haie vom Aussterben bedroht?

Ralf Kiefner
Wie bei allen großen Räubern ist die Reproduktionsrate der Weißen Haie auch sehr gering. In der bisherigen Evolution standen Weiße Haie immer unangefochten an der Spitze der maritimen Nahrungskette. Die geringe Reproduktionsrate reichte aus diesem Grund seit Millionen von Jahren zur Arterhaltung völlig aus. Das ging gut, bis der Mensch kam. Speziell im letzten Jahrhundert wurden durch kommerzielle Fischfangflotten mit ihren Treib-und Schleppnetzaktivitäten und auch durch Finnig (Haifischflossensuppe!) die Haipopulation aller Arten systematisch stark dezimiert. Haie sind weltweit massiv vom Aussterben bedroht.
Hauptursache für die drohende Ausrottung der Haie und insbesondere des Weißen besteht meiner Meinung nach auch im unverdient schlechten Ruf. Hätten sie ein Imgage wie Delfine und Wale, würde man sie längst weltweit schützen. Mit unseren Filmen wollen wir deutlich vor Augen führen, dass Haie weder Killermaschinen noch Monster sind. Es sind ganz normale Raubtiere, die eine äußerst wichtige Rolle im Ökosystem „Meer“ spielen.

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Hat man eine Ahnung, wie und wo sich Weiße Haie paaren?

Andrea Ramalho
Meines Wissens konnte das noch nie dokumentiert werden. Aber ich glaube, dass Gaansbaai in Südafrika eines der Gebiete ist, wo die Weißen ihre Jungen auf die Welt bringen. Es passiert vermutlich im Sommer unweit der Küste. 

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Wie groß und wie schwer können Weiße Haie werden?

Andrea Ramalho
Vermutlich 6,5 Meter lang und etwa 1,5 Tonnen schwer. Genau weiß man es nicht. Wie alt sie werden ist unbekannt.

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Was unterscheidet die Weißen in Guadaloupe von den Weißen in Südafrika?

Andrea Ramalho
Es gibt deutliche Unterschiede bezüglich Größe und Verhalten. Die Weißhaie in Guadloupe sind eindeutig größer als die in Südafrika. Und sie sind auch wilder, wenn sie den Köder angehen. Die großen Käfige, die Unterwassermusik und die vielen Luftblasen stören sie offensichtlich nicht.

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Wie kann man die Faszination erklären, mit der Taucher über den großen Weißen sprechen bzw. schwärmen.

Ralf Kiefner
Leider fehlen mir die Worte, um meine Faszination über die Weißen Haie zu beschreiben. Es sind sehr schöne und anmutige Tiere und das Gefühl ist nicht zu beschreiben, wenn sie majestätisch an einem vorbeigleiten und uns mit allen Sinnen inspizieren. Ihr Anwesenheit strahlt eine unglaubliche Kraft  und Eleganz aus. Sie reagieren sehr sensibel auf alle Veränderungen im Wasser. Die Bewegungen von Tauchern werden genau registriert. Für mich sind Begegnungen mit Weißen Haien immer besondere Highlights. 

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Andrea, du hast dich in Südafrika ohne Käfig zu einem Weißen Hai ins Wasser gewagt. War das nicht ein unkalkulierbares Risiko?

Andrea Ramalho
Vor vier Jahren hatte ich die Chance den Großen Weißen zu beobachten. Ich studierte dabei auch seine Verhaltensweisen. Und ich konnte sehen, wie er sich gegenüber unserem Team verhielt. Als die Zeit gekommen war, ging ich ins Wasser. Angst oder Beklemmungen hatte ich nicht. Mein Selbstvertrauen war da. Ich fühlte mich 100% fit und der Situation gewachsen. Er kam sehr nahe heran, musterte mich...ein Traum wurde Wirklichkeit. Alles ging gut, wir hatten die Situation im Griff.

Ralf Kiefner
Aber bei aller Euphorie darf man bei keiner Begegnung vergessen, dass Haie und insbesondere der Weiße potentielle Raubtiere sind, die auch mit einer noch größeren Beute jederzeit problemlos fertig werden, wenn sie nur wollen. An dieser Stelle müssen wir alle haiverrückten Arenalin-Junkies eindringlich warnen, den Weißen zu unterschätzen und mit ihm „just for fun“ zu schwimmen.
Ohne entsprechende Hai-Erfahrung und fundierte Kenntnisse hinsichtlich seines Verhaltens kann man nicht mit ihm schwimmen und tauchen. Menschen gehören nicht zu seiner Grundnahrung, vermutlich mag er unser Fleisch nicht mal besonders, aber ein Probebiss kann tödlich enden. Haie sind generell keine Streicheltiere.

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Wie viele Schwimmer, Sufer und Taucher werden jährlich von Weißhaien attackiert?

Andrea Ramalho
Es sind weniger als man denkt. 2004 waren es laut ISAF (internatioal shark attack file) 10 Angriffe, davon endeten 4 mit dem Tod. Seit 1990 konnten den Weißen etwa 88 Angriffe auf Menschen nachgewiesen werden. 22 davon waren tödlich. Bedenkt man, wie viele Menschen jährlich baden, surfen und tauchen, ist das nichts.

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Ist der Weiße tatsächlich der gefährlichste Hai der Welt?

Ralf Kiefner
Schwer zu sagen. Tigerhaie und Bullenhaie sind ja auch nicht ohne. Das schlimmste Raubtier ist der Mensch, weil er aus Gier und Spaß tötet. Die Zahl der von Menschenhand getöteten Haie übersteigt die Zahl der Haiopfer um das Millionenfache.

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Wenn Taucher den Weißen sehen wollen, wo sollen sie dann am besten hinreisen...Pazifik (Guadaoupe), Australien oder Südafrika)?

Ralf Kiefner
Wer Weiße Haie sehen will, sollte meiner Meinung nach am besten nach Südafrika fahren. Zum Einen, weil nach meiner Erfahrung dort die Chance auf Sichtung eines Weißen am Größten ist, zum Anderen aber auch, weil Südafrika ein traumhaft schönes Land ist das neben Haien auch noch eine Menge mehr zu bieten hat. Zudem ist die Anreise deutlich kürzer, als nach Australien oder in den Pazifik und es gibt keine Zeitumstellung.
Den einzigen Vorteil, den ich in Australien und Guadaloupe sehe, ist die phänomenale Sicht. Für UW-Fotografen mag das sicherlich den Ausschlag geben, trotz der höheren Kosten diese aufwändige Reise anzutreten